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Jhereg

Jhereg

Titel: Jhereg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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unterbrach.
    »Boß«, sagte er, »Schlägerwarnung, hinter dir.«
    Ich drehte mich rechtzeitig um, so daß ich einen von ihnen auf mich zukommen sah. Ich erwartete ihn. Ungefähr einen Meter vor mir, eine Entfernung, die ich als Einschüchterungsabstand bezeichne, blieb er stehen. Ich war nicht eingeschüchtert. Naja, ein bißchen vielleicht. Er verschwendete keine Zeit mit Floskeln.
    »Eine Warnung, Milchbart«, sagte er. »Laß es sein.«
    »Was soll ich seinlassen?« fragte ich unschuldig, obwohl mir das Herz fast in die Hose rutschte. Die Beleidigung überhörte ich einfach; als ich das letztemal so etwas gehört habe, war ich tatsächlich noch ohne. Aber sagen wir mal so, die Anspielung war nicht gerade schmeichelhaft.
    »Alles«, war seine Antwort. Ein paar Sekunden starrte er mich noch an, dann wandte er sich um und ging wieder.
    Verdammt! Also wußte Mellar doch, daß ich hinter ihm her war. Aber warum sollte er mich aufhalten wollen? Ach ja, wollte er gar nicht. Er ging weiter davon aus, daß ich es auf ihn abgesehen hatte und daß ich keine Ahnung hatte, warum er das tat. Das ergab Sinn; falls ich mich irgendwie verraten hatte, was gut möglich war, dann würde er aus seiner Rolle fallen, wenn er es ignorierte. Er spielte seine Rolle bis in den Tod. (Nette Wortwahl, finde ich.)
    Dadurch fühlte ich mich ein bißchen besser, aber auch nicht viel. Daß Mellar wußte, aus welcher Ecke die Bedrohung kam, war schlecht. Zwar würden die Leibwächter einen direkten Angriff auf Mellar nicht wirklich abwehren, aber die Tatsache, daß sie mich im Auge behielten, schmälerte meine Chancen, mit einer List weiterzukommen – und was auch immer mir jetzt einfiele, es müßte schon etwas Listiges sein. Allmählich, als ich den Saal verließ, verspürte ich in mir das erste Aufkeimen des jüngeren Bruders der Verzweiflung. Aber ich schickte ihn einfach weg.
    Draußen blieb ich stehen und nahm Kontakt zu Aliera auf. Wer weiß, dachte ich, vielleicht ist ihr oder Sethra was eingefallen. So oder so fand ich, daß sie erfahren mußten, was wir herausgefunden hatten.
    »Was ist denn, Vlad?«
    »Was dagegen, wenn ich kurz zu dir raufkomme? Ich habe Informationen, die du wahrscheinlich nicht hören möchtest.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte sie. »Ich bin in meinen Gemächern.«
    Also lief ich den Gang hinunter zu den Treppen, wo ich auf Morrolan stieß. Ich nickte ihm zu und wollte vorbeigehen, aber er gab mir ein Zeichen. Dann ging er den Gang wieder in die andere Richtung hinauf, Richtung Bibliothek. Artig folgte ich ihm, und als er die Tür hinter mir geschlossen hatte, setzten wir uns. Irgendwie erinnerte mich diese Situation unangenehm an einen Diener, dem die Leviten gelesen werden sollten, weil er die Nachttöpfe nicht ordentlich geschrubbt hatte.
    »Vlad«, sagte er, »würdest du dir die Mühe machen, mir freundlicherweise zu erhellen, was hier gerade vor sich geht?«
    »Hä?«
    »Irgendwo ist irgend etwas passiert, von dem ich nichts mitkriegen soll. Das fühle ich. Du machst Anstalten, dir Mellar zu schnappen, stimmt’s?«
    Bei den Fingern von Verra! Wußte etwa das ganze Imperium Bescheid?
    Er hakte seine Liste ab. »Aliera ist ziemlich aufgewühlt wegen der ganzen Sache, und sie weiß nicht genau, was sie tun soll. Du hast dich seit gestern ganz ähnlich verhalten. Heute wurde mir berichtet, daß du, wenn ich es so sagen darf, um Mellar herumgeschnüffelt hast. Ich treffe Aliera, und sie freut sich anscheinend am Leben wie nur was. Dann sehe ich dich die Treppe hinaufgehen, wie ich annehme, um meine Cousine zu treffen, und anscheinend weißt du plötzlich genau, was zu tun ist. Also, würdest du mir bitte erläutern, was ihr beiden im Schilde führt?«
    Ich schwieg erst einmal, dann sagte ich langsam und vorsichtig: »Wenn ich mich heute anders verhalte als gestern, dann liegt das nur daran, daß wir das Rätsel gelöst haben – aber nicht das Problem. Ich habe immer noch keine Ahnung, was ich tun soll. Aber ich kann soviel sagen: ich habe nicht die Absicht, irgend etwas zu unternehmen, was dich, deinen Eid oder dein Haus in irgendeiner Hinsicht kompromittiert. Ich glaube, das habe ich gestern bereits deutlich gesagt, und es besteht kein Grund, warum ich meine Meinung ändern sollte. Reicht das?«
    »Gib’s ihm, Boß, los!«
    »Schnauze, Loiosh.«
    Morrolan starrte mich lange und durchdringend an, als würde er in meinen Gedanken lesen wollen. Allerdings wage ich zu behaupten, daß selbst Daymar

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