Jillian Hunter
die Tür zu dem dunklen Raum öffnete. Sie hatte kein Bedürfnis, das Zimmer zu sehen, in dem Dominic so brutal angegriffen worden war, und sich vorzustellen, wie er entsetzt und verängstigt in unvorstell- baren Qualen dort gelegen haben musste. Nachdem sie die Schmerzen gesehen hatte, die ihm seine Wunden bereiteten, konnte der Anblick sie nicht unberührt lassen.
„Kommst du nicht mit, Chloe?", flüsterte Pamela ihr zu. „Ich werde hier draußen Wache halten", erwiderte sie. „Aber beeilt euch, ihr beiden."
Nach ein paar Minuten fühlte Chloe sich zu einem Gemälde an der Wand am anderen Ende der Galerie hingezogen. Sie wusste sofort, dass der schneidige Reiter, der in einem wehen- den weinroten Umhang dargestellt war, Dominic sein muss- te. Die grauen Augen, die vom Porträt auf sie hinabblickten, hatten dasselbe spöttische Funkeln, an das sie sich so gut er- innerte. Dem Maler war es wirklich gelungen, die kraftvolle Ausstrahlung und die Vielschichtigkeit Dominics einzufan- gen.
Beinahe so, als stünde er direkt vor ihr.
„Ich sollte Ihnen eine Lektion erteilen", flüsterte sie.
Sie hörte ein Geräusch. Es war ein leises Kratzen, aber wo- her kam es? Sie folgte dem Geräusch weiter die Galerie ent- lang bis zu einem großen, unbenutzten Kamin, der von zwei italienischen Marmorsäulen eingerahmt wurde.
„Eine Maus", sagte sie und spähte etwas enttäuscht in die staubige Leere. „Vermutlich nur eine Maus."
Sie ging von dem Kamin weg zu einem der hohen, gekippten Fenster, die auf das Anwesen hinaufblickten. Das Mondlicht spiegelte sich in der schwarzen Oberfläche des Sees. Ihren Geist sah sie nirgends.
„Wo sind Sie, Dominic?", fragte sie kaum hörbar und drück- te eine Hand gegen das Bleiglasfenster.
„Näher, als Sie denken."
Sie wirbelte herum. Eine Gestalt in einem dunklen Um- hang kam rasch auf sie zu. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte eine schwarz be- handschuhte Hand sanft ihren Mund bedeckt, und sie wurde in die dunkle, gähnende Öffnung neben dem Kamin gezogen.
Die Säule glitt mit einer Staubwolke zurück an ihren Platz, und warme Dunkelheit umhüllte Chloe. Sie spürte, wie Do- minic sie fest an seine Brust zog. Seine muskulösen Schenkel schoben sie nach hinten in die stickige Leere. Sie konnte ihn nicht erkennen, aber sie fühlte ihn am ganzen Körper. Seine Arme schützten sie vor Gefahren, die sie erahnen, aber nicht benennen konnte. Seine Lippen streiften zärtlich ihre erhitz- te Wange.
„Oh, mein Gott, Dominic. Sie sind wahnsinnig ..."
„Sagen Sie nichts", flüsterte er an ihrem Hals.
Sie öffnete den Mund, um dagegen zu protestieren, dass sie zwischen einer unverputzten Wand und seinem stahlharten Körper eingeklemmt war. Er drückte einen behandschuhten Finger auf ihre Lippen und vereitelte so ihre unausgespro- chene Beschwerde. Dann legte er seine große Hand sanft um ihr Kinn. Chloe erschauderte und schloss die Augen ange- sichts des abscheulich aufregenden Erlebnisses, auf so liebe- volle Weise und doch so schamlos verführt zu werden.
Mit seinen in kühles Leder gekleideten Händen glitt er über ihre Schultern, streichelte ihren Rücken und umfasste schließ- lich ihre Pobacken. Das Gefühl war zugleich intim und un- persönlich, seine Bewegungen schienen so ruhig und selbstbe- wusst, als ob er selbstverständlich das Recht dazu hätte. Seit ihrer letzten Begegnung hatte er an Kraft gewonnen, besaß wieder vollkommene Kontrolle über seinen Körper und war
sich seiner Macht ganz und gar bewusst. Die Dunkelheit stei- gerte ihr Gefühl von Verletzlichkeit und damit seinen Vorteil. Sie konnte die angespannten Muskeln seiner Brust spüren und einiges darunter. Seine Schenkel waren gegen die ihren gepresst.
„Ich habe an Sie gedacht, Chloe. Daran, wie viel Freude es mir bereitet hat, Sie zu küssen."
„Ich weiß nicht, wie man hier drin überhaupt nachdenken kann", flüsterte sie. „Es ist so dunkel."
„Es ist schön, Sie wiederzusehen." Sie spürte, wie sein Herz schneller klopfte. „Es wäre auch schön, Sie zu küssen."
Das Versprechen in seiner Stimme raubte ihr den Atem. Noch bevor sie antworten konnte, hatte er den Mund auf den ihren gedrückt. Er ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten, während er sie mit einer Hand naher an sich zog. Sein Kör- per spannte sich an, und ihm entfuhr ein tiefes Stöhnen. Das Einzige, woran sie denken konnte, war: Er lebt. Die Pferdeme- dizin hat ihn nicht umgebracht, und er
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