Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
auf und ab zu gehen, die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt. Nach einer Weile hielt er plötzlich inne und rief: »Ich hab's!«
»Was?«, fragte Jim.
Lukas lächelte geheimnisvoll. »Das wirst du gleich sehen, alter Junge. Wenn mein Plan tatsächlich funktioniert, dann haben wir eine bedeutende Erfindung gemacht. Komm, wir gehen zu Emma runter. Ich muss etwas ausprobieren.«
Zu zweit transportierten sie mit großer Vorsicht die kleine Lokomotive von der Zinne herunter. Schließlich langten sie bei Emma an, die nun natürlich auch wieder in ihrer normalen waagrechten Lage auf allen vier Rädern stand und ziemlich gekränkt aussah. Durch Pfeifen konnte sie ihrer Entrüstung ja nicht Luft machen, weil sie nicht unter Dampf stand.
»Sei nicht böse, meine dicke Alte«, sagte Lukas und klopfte begütigend auf ihren Kessel, »jetzt wollen wir mal sehen, ob unser Magnet auch dich anzieht.«
»Ich glaub nicht«, meinte Jim, »sonst wär sie doch auch hinaufgefahren wie Molly.«
»Für ihr Gewicht«, erklärte Lukas, »war die Entfernung zu groß. Mich interessiert jetzt, was mit ihr passiert, wenn der Magnet bloß zwei Meter von ihr entfernt ist. Nach meiner Berechnung müsste er die Lokomotive mit unwiderstehlicher Gewalt anziehen.«
Lukas stellte mit dem Schürhaken die Verbindung zwischen den Brocken wieder her und die Magnetkraft setzte sofort ein. Die große dicke Emma machte förmlich einen Sprung auf Lukas zu, wobei sie ihn unversehens mit dem einen Puffer gegen sein Schienbein stieß. Molly, die hinter Emma gestanden hatte, war natürlich auch angezogen worden und scheppernd gegen Emmas Tender geprallt.
»Großartig!«, rief Lukas und rieb sich sein Schienbein. »Die Sache funktioniert noch viel besser, als ich gehofft habe.«
»Is' das die bedeutende Erfindung, die wir gemacht haben?«, fragte Jim.
»Noch nicht«, antwortete Lukas schmunzelnd, »aber beinah.«
Jim wunderte sich. Zunächst wurde der Werkzeugkasten hervorgeholt, dann montierten sie Emmas Mast ab und Lukas ging daran, die bisherige Haltevorrichtung umzubauen. Er hämmerte und nietete und schraubte und setzte eine Art Scharnier ein, das er unter den verschiedenen Ersatzteilen gefunden hatte. Und als der Mast schließlich wieder befestigt werden konnte, da steckte er nun in einer Art Kugelgelenk, sodass man ihn nach vorwärts und rückwärts und ebenso auch nach den Seiten umlegen konnte, ganz wie man wollte.
»Famos«, brummte Lukas und rieb sich die schwieligen Pranken, »jetzt brauchen wir noch einen Querbalken. Bei den Segeln in der Kajüte muss noch eine Hartholzstange sein, die das Tuch straff gehalten hat. Hol sie doch mal schnell heraus, Jim!«
»Was machst du denn damit?«, erkundigte sich Jim, als er sie gebracht hatte, aber Lukas antwortete nur:
»Abwarten!«
Im oberen Ende des Mastes befand sich ein Loch, durch das man die Taue für die Segel ziehen konnte. Durch dieses Loch steckte Lukas nun die Holzstange. Schließlich sah der ganze Mast aus wie ein großes T.
»Das hätten wir«, sagte Lukas befriedigt, »aber jetzt kommt die Hauptsache.«
Er nahm den ersten Magnetbrocken und befestigte ihn sorgfältig mit Schnur an der einen Seite des Querbalkens, dann machte er den zweiten Eisenklotz auf dieselbe Weise an der anderen Seite des Querbalkens fest. Jetzt hatte das große T sozusagen einen dicken kurzen Abwärtsstrich auf beiden Seiten.
Plötzlich dämmerte es Jim, was Lukas vorhatte.
»Der Magnet soll Emma ziehen!«, rief er begeistert.
»Erraten!«, antwortete Lukas. »Und wir können vom Dach aus steuern, verstehst du. Wenn wir den Mast mit dem Magneten nach vorne klappen, dann hängt er doch vor der Lokomotive und zieht sie an, und sie muss immer hinter ihm herfahren. Und in den Kurven legen wir den Mast einfach seitwärts.«
»Oh!«, sagte Jim und bekam kugelrunde Augen vor Staunen und dann sagte er nach einer Weile: »Donnerwetter!«, und schließlich sagte er: »Ja, wirklich!« Es dauerte einige Zeit, bis er sich so weit gefasst hatte, dass er besorgt einwenden konnte:
»Ja, aber die Holzstange leitet ja die Magnetkraft gar nicht.«
»Richtig«, erwiderte Lukas, »dazu brauchen wir den Schürhaken.
Aber ich will ihn so festmachen, dass wir den Magneten jederzeit wieder abstellen können. Sonst würden wir ja nie mehr anhalten und immer weiterfahren.«
Vielleicht erinnern sich manche unter meinen geschätzten Lesern noch daran, dass Lukas neben anderen künstlerischen Gaben auch die besaß, eine Eisenstange zu
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