Jim Knopf und die Wilde 13
unter
meinen geschätzten Lesern noch daran, daß Lukas neben anderen künstlerischen
Gaben auch die besaß, eine Eisenstange zu einer Schleife binden zu können. Er
hatte ja seinerzeit bei der Zirkusvorstellung in Mandala mit dieser Eähigkeit
großes Aufsehen erregt. Nun, diesmal wendete er sie zu einem praktischen Zweck
an. Er bog den Schürhaken so geschickt zusammen und wieder auseinander, daß in
dessen Mitte eine Art Öse entstand, durch die er einen großen Nagel steckte.
Dann hämmerte er das ganze am Mast fest, genau zwischen den beiden Magnetstücken.
Dabei achtete er natürlich sorgfältig darauf, daß der Schürhaken mit seinen
beiden Enden die Eisenbrocken vorerst noch nicht berührte, sonst wäre die
Lokomotive ja sofort losgefahren. Und nun band er an jedes Ende der eisernen
Stange eine Schnur, die lang genug war, daß man sie als Zügel halten konnte,
wenn man auf dem Dach des Führerhäuschens saß. Wenn man nun an der rechten
Schnur zog, dann stellte sich der Schürhaken waagrecht und berührte die beiden
Magnethälften: Die Anziehungskraft war hergestellt! Zog man aber an der linken
Lerne, so stellte sich der Schürhaken schräg, und der Magnetismus hörte sofort
auf.
ELFTES KAPITEL
in dem die dicke, alte Emma in die Luft geht und die
Erfinder endlich zum Frühstücken kommen
Nachdem alle Vorbereitungsarbeiten
beendet waren, ließen die beiden Erfinder die kalfaterte Lokomotive vorsichtig
ins Wasser rollen. Dann schwangen sie sich auf das Dach des Führerhäuschens.
Emma trieb sanft schaukelnd in den Wellen und drehte sich langsam, so daß ihr
Bug nun auf das Meer hinaus zeigte. Der Mast lag vom Führerhaus aus waagerecht
nach vorne, seine Spitze mit den beiden Magnetbrocken ragte ungefähr zwei Meter
über das vordere Kesselende hinaus.
„Wir müssen erst ein Stück weit wegrudern“,
erklärte Lukas, „sonst wird Molly auch wieder angezogen und fliegt hinter uns
her. Gut, daß ich das Ruder mitgenommen habe.“
Als die Entfernung ihm schließlich groß
genug erschien, ergriff er die beiden Leinen.
„Jetzt kommt der entscheidende Moment,
Jim!“
Damit zog er an der rechten Schnur, der
Schürhaken legte sich zwischen die beiden Brocken, im gleichen Augenblick war
die Verbindung hergestellt und die Kraft begann Emma mächtig anzuziehen. Die
Lokomotive schoß hinter dem Magneten her, da dieser aber an dem Mast hing, der
an der Lokomotive befestigt war, konnte sie natürlich den Magneten niemals
einholen. Er blieb immer vor ihr und sie mußte, von seiner riesigen Kraft
angezogen, hinterdrein rasen.
„Ho!“ schrie Jim begeistert. „Es geht!
Und wie es geht! Hurra!“ Jetzt spritzte der Gischt vor Emmas Bug bereits ebenso
wild nach beiden Seiten wie bei der Fahrt mit den Walrössern, aber das Tempo
nahm immer noch zu.
„Halt dich fest!“ rief Lukas durch das
Brausen. „Jetzt versuche ich, ob man auch lenken kann!“
Er packte den Mast und drehte ihn in
seinem Kugelscharnier ein wenig nach rechts. Sofort beschrieb die Lokomotive
einen weiten, herrlichen Bogen.
„Famos!“ jubelte Jim. „Aber kann man
auch halten?“
Lukas zog an der linken Leine, der
Schürhaken stellte sich schräg, und die Magnetbrocken waren ohne Verbindung.
Das Tempo verlangsamte sich, aber die Lokomotive hatte noch so viel Schwung,
daß sie von allein weiterglitt. Lukas klappte den Mast nach hinten.
Gleichzeitig zog er wieder an der rechten Leine, die Anziehungskraft setzte
erneut ein, aber diesmal von rückwärts, und das brachte die Lokomotive so
plötzlich zum Halten, daß Jim ins Wasser purzelte.
Lukas stellte den Magneten sofort
wieder ab und half seinem Freund auf das Dach des Führerhäuschens zurück.
„Es geht großartig“, sagte Jim und
spuckte etwas Wasser, „besonders die Bremse!“
„Ja, wahrhaftig“, antwortete Lukas,
„man kann sich’s nicht besser wünschen.“
„Wie wollen wir unsere Erfindung denn
nennen?“ fragte Jim. „Ich find’, wir sollten ihr einen Namen geben.“
„Da hast du recht“, sagte Lukas, „einen
Namen muß sie haben.“ Er zündete sich seine Pfeife an und paffte ein wenig.
„Wie gefällt dir zum Beispiel ,Jimotive’ oder ,Jimobil’?“
„Nein“, wehrte Jim bescheiden ab, „das
hört sich an, als ob ich die Erfindung gemacht hätte.“
„Hast du auch“, sagte Lukas,
„jedenfalls den Anfang.“
„Aber die Hauptsache hast du erfunden“,
beharrte Jim, „darum würd’ zum Beispiel ,Lukomobil’ oder ,Lukomotive’ viel
besser
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