Jim Knopf und die Wilde 13
sie soll sich noch ein paar Tage vorbereiten auf die Schule und
auch auf ihre Prinzessinnenwürde.“
„Ich werde es ihr sagen“, versicherte
Lukas. Und dann verabschiedeten sie sich, und das Telefongespräch war beendet.
Während der nächsten Tage bereiteten
sich also Lukas, Jim und Li Si auf die Reise nach Mandala vor. Li Si packte
ihren Koffer, der übrigens ganz und gar aus feinstem, mandalanischem
Kolibrileder war — nur die Schlösser waren natürlich aus Silber. Lukas schnürte
die Sachen, die er sonst im Führerhäuschen unterzubringen pflegte, in ein
großes Bündel. Die gute alte Emma wollte er diesmal zu Hause lassen. Erstens
hatte sie sich von den Strapazen der letzten Fahrt noch nicht so ganz erholt,
und zweitens brauchte er sie ja diesmal nicht dringend. Es war schon besser,
wenn sie sich erst einmal einige Zeit ausruhte. Außerdem würden sie ja nicht
lange wegbleiben. Jims kleiner Rucksack wurde von Frau Waas reisefertig gepackt
und der frisch gebügelte blaue Lokomotivführeranzug, nebst Schirmmütze und
Tabakspfeife, zurechtgelegt.
Schließlich kam das prunkvolle
Staatsschiff des Kaisers Pung Ging. Herr Tur Tur hielt sich tagsüber
selbstverständlich in seinem Haus verborgen, um nahende Schiffe nicht zu
erschrecken. Die beiden Freunde begrüßten den Kapitän, den sie ja noch vom
Einfangen der schwimmenden Insel her gut kannten, dann sagten sie allen
Bewohnern von Lummerland Lebewohl und gingen mit der kleinen Prinzessin an
Bord. Da keine Zeit zu verlieren war, lichtete das Schiff sofort wieder seine
Anker und fuhr mit vollen Segeln in Richtung Mandala davon.
Wenige Tage später, an einem
strahlenden Morgen, legte das kaiserliche Staatsschiff, von jubelndem Volk und
mehreren mandalanischen Musikkapellen begrüßt, an dem gleichen Kai an, von dem
es vor einem Jahr mit denselben Reisenden nach Lummerland abgefahren war. Es
war sogar auf den Tag genau ein Jahr her, also mußte noch heute der schlafende
Drache aufwachen.
Als zuerst Lukas und hinter ihm Jim und
Li Si Arm in Arm den Landesteg vom Schiff herunterschritten, sahen sie
plötzlich vier Sänftenträger aus der Ferne herangaloppieren, die auf zwei
dicken, vergoldeten Stangen einen riesenhaften, aber, wie es zunächst schien,
leeren Sessel trugen.
„Laßt mich herunter! Laßt mich
herunter!“ rief aufgeregt ein zwitscherndes Sümmchen, und schließlich
entdeckten die Reisenden zwischen den Kissen des Sessels ein winziges Kerlchen,
das einen goldenen Schlafrock anhatte.
„Ping Pong!“ rief Lukas erfreut.
„Schön, dich mal wiederzusehen!“ Der Sessel wurde niedergesetzt, und dann
schüttelten die beiden Freunde und Li Si dem kleinen Oberbonzen vorsichtig die
Hand. Das Kerlchen war inzwischen natürlich gewachsen und hatte nun ungefähr
die doppelte Größe einer Hand. Ping Pong verneigte sich vor Freude ununterbrochen
bis an den Boden und piepste: „Nein, was für eine Freude, ihr ehrenwerten
Führer einer ordengeschmückten Lokomotive! Ich bin außer mir vor Entzücken,
unsere blütenblattgleiche Prinzessin Li Si zu sehen! Ich weiß mir vor Glück
kaum zu helfen, euch wohlbehalten, gesund und guter Dinge begrüßen zu dürfen.“
Das dauerte eine ganze Weile, und als
Ping Pong sich endlich ein wenig gefaßt hatte, fiel ihm ein, daß man den
erhabenen Kaiser nicht länger warten lassen dürfe, da dieser sowohl sein
Töchterchen als auch die beiden erlauchten Lokomotivhelden sehnlichst an sein
Herz zu drücken wünsche.
Also bestiegen die Reisenden mit dem
kleinen Oberbonzen zusammen eine bereitstehende, buntbemalte mandalanische
Kutsche mit sechs weißen Pferdchen davor und fuhren nach Ping, wo alle Straßen
mit Blumengirlanden geschmückt waren. Eine unübersehbare Menschenmenge mit
Kindern und Kindeskindern empfing auch hier die Ankommenden unter brausenden
Hochrufen. Auf den neunundneunzig Silberstufen, die zum Palasttor
hinaufführten, erwartete sie der erhabene Kaiser in eigener Person.
„Meine edlen Freunde!“ rief er ihnen
schon von weitem zu und eilte die Stufen mit weitgeöffneten Armen herab. „Sehe
ich euch endlich wieder! Seid mir willkommen!“
Und dann drückte er auch die kleine
Prinzessin an sein Herz und freute sich, daß sie wieder da war und so gesund
und gut erholt aussah.
„Aber nun“, sagte er, nachdem die
Begrüßung vorüber war, „wollen wir nicht länger säumen, sondern unverzüglich
den Drachen aufsuchen, sonst geht am Ende der große Augenblick des Erwachens
ohne unsere Anwesenheit
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