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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Weile
starrte er in die finstere Wasserwand, die sich immerfort in rasendem Wirbel um
den ganzen Berg drehte und von Blitzen durchzuckt war. An den brausenden
Orgelton hatten seine Ohren sich inzwischen schon so gewöhnt, daß er ihn kaum
noch vernahm. Allerdings hörte er auch nichts anderes mehr, nicht einmal die
Donnerschläge. Er war wie taub. Langsam wanderte sein Blick nach oben, und als
er schließlich senkrecht in die Höhe schaute, da sah er in unendlicher Ferne
ein kleines rundes Stück Himmel, das wie ein regloses Auge auf ihn
herunterblickte. „IM AUGE DES STURMS“, schoß es ihm plötzlich durch den Kopf,
„WIRST DU EINEN STERN ERBLICKEN...“
    Das also hatte der „Goldene Drache der
Weisheit“ gemeint! Aber wie sollte er einen Stern ergreifen, der dort oben
auftauchen würde — falls überhaupt einer auftauchen würde. Denn es war ja schon
Abend, aber ein Stern war nicht zu sehen.
    Jim wartete noch eine Weile, und als es
schließlich ganz dunkel geworden war, kletterte er vorsichtig in der Takelage
auf das Deck nieder, spähte umher und schlich an Land und in die Höhle hinein,
in der die Piraten mit den Gefangenen verschwunden waren.
    Ein Gewirr von Gängen lag vor ihm,
Gänge jeder Größe, vom Durchmesser eines Eisenbahntunnels bis zu dem eines
Kanalrohres, ja sogar noch enger, bis zu den feinsten Verästelungen. Es war, als
ob er sich durch das Innere eines riesigen Schwammes bewegte. Aber doch war das
Gestein hart und scharf wie schwarzes Glas. Jim hätte sich in diesem Irrgarten
unfehlbar verlaufen müssen, wenn die Piraten ihren Weg nicht mit brennenden
Pechfackeln gekennzeichnet hätten, die links und rechts in den löcherigen
Wänden steckten. In hundert Windungen und Krümmungen führte der Gang ins Innere
des Berges hinunter, wurde manchmal ganz schmal und eng, dann wieder breit und
hoch, und bisweilen waren es richtige Kammern und Säle, die Jim durchschritt.
Hier lagen Vorräte aller Art, Waffen, Segeltuchballen und Taurollen
aufgestapelt. Je tiefer der Junge eindrang, desto leiser und ferner erklang der
brausende Orgelton des Wirbelsturms von draußen. Und endlich war es ganz still.
Jim hörte nur noch seine eigenen, leise tappenden Schritte und das Klopfen
seines Herzens. Nach einer Weile vernahm er noch etwas: „Ho, ho, ho, und ein
Faß voller Rum…“ scholl es gedämpft aus der Tiefe, und dann folgte grölendes
Gelächter. Noch vorsichtiger schlich Jim weiter. Er mußte den Piraten jetzt
schon ganz nahe sein.
    Nun konnte er bereits deutlich einzelne
Stimmen unterscheiden. Noch einmal machte der Gang eine scharfe Biegung, und
als der Junge um die Ecke spähte, erblickte er vor sich einen Saal, in dessen
Mitte ein großes Feuer prasselte. Drum herum saßen und lagen die Piraten auf
Eisbärfellen. Offenbar waren sie gerade beim Abendessen, denn über den Flammen
steckte auf einem großen Bratspieß ein ganzes Schwein, von dem jeder sich mit
seinem Dolch heruntersäbelte, soviel er wollte. Ihr Schmatzen war bis zu Jim
herüber zu hören. Die abgenagten Knochen warfen sie einfach hinter sich auf den
Boden. Außerdem hatte jeder einen großen Humpen, den er aus einem Branntweinfaß
nachfüllte, wenn er leergetrunken war.
    Jim fühlte, wie ihm beim Duff und
Anblick des knusprigen Schweinebratens ganz schwach wurde. Sein Magen war
schrecklich leer. Aber jetzt war natürlich nicht der richtige Moment, ans Essen
zu denken. Ganz langsam und geräuschlos ließ er sich auf den Boden nieder und
kroch um die Ecke und in den Saal, immer darauf bedacht, gegen die Blicke der
Seeräuber gedeckt zu sein. Aber die achteten im Augenblick sowieso auf nichts als
auf ihren Schweinebraten. So gelang es dem Jungen, unbemerkt in eine Taurolle
hineinzuschlüpfen. Es war ein gutes Versteck, denn von hier aus war alles zu
hören, was die Piraten sprachen. Und wenn er die Finger zwischen die Taue
steckte, konnte er den ganzen Raum überblicken. Vielleicht konnte er
herausbekommen, wo die Gefangenen geblieben waren.

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
 
in dem Jim den Stern im „Auge des Sturms“ erblickt
     
    Die völlige Ähnlichkeit der Kerle war
wirklich erstaunlich! Jeder hatte den gleichen sonderbaren Hut auf dem Kopf,
auf den ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen gemalt war. Alle trugen
die gleichen bunten Jacken, dazu Pluderhosen und hohe Stulpenstiefel. In ihren
Gürteln steckten Dolche, Messer und Pistolen. Auch ihre Statur und ihre
Gesichtszüge waren gleich. Unter ihren großen Hakennasen hingen

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