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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Anstrengung.
    Schließlich hatten sie unter vielem
Hinundherreden und Streiten und Buchstabieren folgenden Brief fertiggebracht:

    Hätte Jim lesen können, dann hätte er
vielleicht jetzt schon einen merkwürdigen Umstand bemerkt. Es waren nämlich nur
zwölferlei Buchstaben. Aber Jim konnte eben nicht lesen.
    Diese Piraten waren tollkühn,
bärenstark und verwegen. Aber nun sah Jim zum erstenmal mit eigenen Augen, daß
es nicht genügte, derartige Eigenschaften zu besitzen, wenn es dabei an der
Klugheit fehlte. Trotzdem konnte jeder von ihnen wenigstens einen Buchstaben,
und er selbst? Keinen einzigen.
    Die Seeräuber saßen eine ganze Weile
erschöpft von der schweren Arbeit um das Feuer herum und stärkten sich erst
einmal durch gewaltige Trünke aus ihren Humpen. Einige hatten ihre Hüte abgenommen,
um sich die Stirnen zu trocknen, und der, den sie Hauptmann nannten, hatte den
seinen mit einem Schwung hinter sich geworfen.
    Da lag nun der Hut ganz nahe vor der
Taurolle, in der Jim hockte, auf dem Boden. Jim betrachtete die sonderbare
Kopfbedeckung mit dem aufgemalten Totenkopf, und je länger er sie ansah, desto mehr kam es ihm vor, als ob sie
sich durch irgend etwas von denen der anderen unterschied.

    Und plötzlich wußte er es:
    An diesem Hut steckte vorne eine Nadel
mit einem roten, fünfzackigen Stern, an den Hüten der anderen aber nicht. Im
gleichen Augenblick schoß ihm der Spruch des „Goldenen Drachen der Weisheit“
durch den Sinn: „ERGREIFE DEN STERN UND MACHE DICH ZUM HERRN!“
    Ohne sich zu besinnen hob er die
Taurolle ein wenig in die Höhe, so daß er mit seinem Arm darunter durchfassen
konnte, und zog die Nadel aus dem Hut. Er hatte kerne Sekunde zu früh
gehandelt, denn im selben Moment stand der, den die Piraten ihren Hauptmann genannt
hatten, auf, kam mit wiegendem Schritt herbei, hob seinen Hut auf und stülpte
ihn sich wieder auf den Kopf. Jim hielt den Atem an, die Faust um den Stern
gepreßt, daß die Zacken ihm fast weh taten. Aber der Pirat hatte nichts
gemerkt.
    „Und jetzt“, sagte er, als er zu seinen
Kumpanen zurückgekehrt war, „schreiben wir noch die Adresse auf den Brief, ihr
Ochsen!“ Einer der Sitzenden blickte auf, musterte ihn kurz und knurrte dann:
„Fängst du auch noch an, Bruderherz? Setz dich hin und sauf lieber.“
    „Hol dich der Rochen!“ grollte der
erstere und schlug dem anderen den Humpen aus der Hand. „Was ich sage, wird
gemacht, verstanden?“
    „Bist wohl verrückt geworden, Mann!“
sagte der Angeredete drohend und griff nach seinem Dolch. „Heb sofort meinen
Humpen auf, sonst schicke ich dich zur Hölle!“
    „Ich bin der Hauptmann!“ brüllte der
erste. „Hast du keine Augen in deinem Schafskopf?“
    „Schlag dich der Donner“, fluchte der
andere, „du hast den Stern nicht, du bist nicht der Hauptmann, du bist nur
besoffen!“ In seinen Augen begann es gefährlich zu funkeln. Er zückte den Dolch
und zischte: „Ich werd dich ein bißchen stechen, damit dir der Schnaps
herausläuft.“
    Der erste faßte an seinen Hut. Da er
aber nichts fühlte, nahm er ihn ab und starrte verblüfft die leere Stelle an.
„Weiß der Henker“, murmelte er und blickte erstaunt im Kreise seiner Brüder
herum, „ich dachte, ich bin der Hauptmann. Aber wer ist denn dann der
Hauptmann, wenn ich’s nicht bin?“
    Die Sache war nämlich die, daß die
Seeräuber sich so vollkommen glichen, daß sie sich sogar gegenseitig nicht
auseinanderhalten konnten. Ja, nicht einmal sich selbst vermochte einer vom
anderen zu unterscheiden. Deshalb hatten sie auch keine Namen, sondern sie
waren einfach alle zusammen die „Wilde 13“. Da aber ein Hauptmann da sein
mußte, der das Kommando führte, gehorchten sie jeweils dem, der den Hut mit dem
roten Stern aufhatte. Ob das nun immer derselbe war oder jeden Tag ein anderer,
konnte ihnen gleich sein, weil sie sich ja ohnehin in nichts unterschieden.
    Aber da nun plötzlich keiner mehr den
Stern am Hut hatte, brach völlige Verwirrung unter den Piraten aus. Jeder
begann zu brüllen, daß er der Hauptmann sei und zu befehlen habe, und dabei
wurden alle immer wütender, und nach kurzer Zeit war die wüsteste Prügelei unter
ihnen im Gange. Sie hieben sich gegenseitig ihre Humpen auf die Köpfe, daß der
Branntwein spritzte, sie versetzten sich knallende Kinnhaken und schmetterten
sich gegenseitig auf den Boden, daß es nur so krachte.
    Das Handgemenge dauerte eine ganze
Weile, denn sie waren ja alle ganz gleich stark, geschickt

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