Jimmy, Jimmy
keinerlei nervöse Zuckungen.
»Eala, kannst du mal nachsehen, ob er kommen will?«
Martin schaut mich an, als wollte er mich fragen, was er falsch macht. Ich stehe auf und gehe zu Dads Zimmer. Auf der schmalen Treppe nach unten kann ich die bedrückende Stille beinahe körperlich spüren. Ich sehe das Flimmern des Fernsehers unter der Tür. Er ist also eingeschaltet, denke ich, und schlagartig wird mir klar, wie absurd es ist, dass ich zu Hause herumschleiche, als hätte ich Angst davor, was ich als Nächstes entdecke. Dann klopfe ich leise an die Tür und trete ein.
Dad lächelt, als wäre er froh, mich zu sehen. Ich kann sogar spüren, dass er sich freut. Vorsicht , sage ich mir im Stillen, er ist nur erleichtert, dass es nicht Martin ist! Brian und Sean sind auch da. Brian, der sich halb aus seinem Sessel erhoben hat, sieht aus wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb. Seans Blässe spielt schon leicht ins Grünliche.
»Alles klar, Eala?«, sagt Dad im Flüsterton. »Ist der Mann weg?«
Sean vergräbt das Gesicht in den Händen.
»Der Mann ist dein Freund, Jimmy«, sagt Brian und kassiert dafür einen Kümmer-dich-um-deinen-eigenen-Kram-Blick von mir.
»Er würde gern dein neues Zimmer sehen«, mache ich einen Versuch.
Dad scheint darüber nachzudenken, aber er fingert schon an seiner Digitaluhr. Als sie kurz piept, erschrickt er und springt auf. Die beiden Jungs und ich sind in Alarmbereitschaft.
»Ich muss aufs Klo«, sagt er.
Er geht in seinem komischen Gang in Richtung Bad. Immer noch zieht er alle paar Schritte den einen Fuß nach. Wir wissen nicht, was kommt, aber wenigstens kann er sich nicht im Bad einschließen. Es gibt weder einen Riegel noch einen Schlüssel, weil ihn selbst so einfache Dinge wie das Aufschließen einer Tür in tiefe Ratlosigkeit stürzen können. Als er im Bad verschwunden ist, legt Sean los.
»Jede Nacht fängt er damit an: › Der Mann ist im Haus!‹ Ich frag ihn, wer der Mann ist, und er: ›Ich kann mich nicht erinnern.‹ ›Ist es Martin?‹ ›Ich weiß nicht.‹ Ich frag ihn, wo genau der Mann ist, in welchem Zimmer, und er: ›Oben irgendwo!‹ Jedes Mal sagt er das. ›Oben irgendwo!‹«
Zum ersten Mal fällt mir auf, dass Dad, seit er zu Hause ist, nie weiter oben war als im Erdgeschoss. Dann merke ich, wie Brian mich von der Seite anstarrt, und mir wird noch unbehaglicher, als mir sowieso schon ist.
»Ziehst du jetzt ganz hier ein?«, frage ich ihn.
Ich habe ihn noch nie rot werden sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass er überhaupt rot wird. Aber wenigstens scheint die Röte schnell wieder zu verschwinden.
»Nur wenn du darauf bestehst«, sagt er und bereut es im selben Augenblick. Er ist nun dunkelrot angelaufen. Er kann mich nicht ansehen, und die Angie in mir wünscht sich, er täte es mit seinen braunen Augen und sähe jemanden anders als das kleine Mädchen, das ich mit meinen sechzehn Jahren noch bin, jemanden, den er toll findet.
»Ich helfe nur Sean«, sagt er. »Und Jimmy.«
Aus dem Bad dringt das Geräusch der Toilettenspülung. Kurz darauf steckt Dad den Kopf durch die Tür.
»Der Scheißreißverschluss klemmt«, sagt er mit einem blöden Grinsen. »Ich hab mir fast den …«
»Okay, Jimmy, wir haben verstanden«, sagt Sean und geht ihm helfen.
Die Fernbedienung für den Fernseher liegt auf halbem Weg zwischen Brian und mir auf dem Fußboden. Ich starre sie an, während sich Sean an Dads Reißverschluss zu schaffen macht. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass Brian die Fernbedienung auch anstarrt.
»Ist er weg, Eala? Der Mann ?«, fragt Dad, als Sean fertig ist.
»Bald«, sage ich. »Du musst ihn nicht treffen. Vielleicht nächstes Mal?«
Dad zuckt mit den Achseln, und ich gehe zur Tür. Sean folgt mir und schließt die Tür hinter sich. Wir stehen am Fuß der Treppe, aber mir kommt es vor, als stünden wir am Grund eines ausgetrockneten Brunnens. Sean weicht meinem Blick aus.
»Was ist?«
»Könntest du heute Nacht unten schlafen?«, fragt er. »Ich brauch mal eine Pause. Ich bin fix und alle.«
»Du meinst, ihr müsst euch dringend mal wieder zuknallen?«
Er lehnt sich gegen die Wand, und ich sehe, dass er wirklich fertig ist.
»Es dauert Stunden, bis er einschläft, und der Hund drüben macht mich wahnsinnig mit seinem Gekläff die halbe Nacht.«
»Okay«, sage ich gedehnt, als wäre es ein Problem für mich. Aber es ist keins. »Aber bau keinen Mist, Sean. Bitte!«
»Bestimmt nicht. Ich hab’s Mam versprochen. Danke,
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