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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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bräuchte dringend einen Schluck Wasser, aber wenn ich aufstehe, steht er auch auf, und ich kann das Schlafen endgültig vergessen.
    »Warum muss ich so sein, Eala?«
    »Was meinst du mit so ?«
    Ich kann spüren, wie er vergeblich nach den Wörtern sucht, mit denen er beschreiben könnte, wie es in seinem Kopf aussieht. Er ist wie ein Kind, das die in allen Regenbogenfarben schillernden Seifenblasen fangen möchte, ohne sie kaputt zu machen. Und jeder seiner langen Seufzer ist ein Windhauch, der die Seifenblasen ein Stück weiter ausseiner Reichweite trägt. Die Wörter werden zurückkommen , sage ich mir. Vielleicht nicht heute Nacht, aber …
    »Ich bin mehr als nur einer«, sagt er.
    Er schnieft, und ich denke: Bitte nicht weinen! Wenn du damit anfängst, hören wir nie wieder auf!
    »Das Bett hier unten ist so klein«, sagt er.
    Ich lasse mich auf das Klappbett zurücksinken. Ich schließe die Augen, und komischerweise wird es um mich herum heller. Ich bin nur noch müde. Argos heult immer noch, aber er hört sich an, als wäre er auch erschöpft. Es ist leicht, Sean seine nächtliche Auszeit zu verzeihen.
    »Wer ist bei Judy?«, fragt Dad, und ich mag die Richtung nicht, in die seine Frage zielt.
    »Tom.«
    »Und wenn der Mann in ihr Zimmer geht?«
    »Wir haben eine gute Alarmanlage, Jimmy«, sage ich. »Niemand kann bei uns einbrechen. – Können wir jetzt schlafen?«
    Es war ungefähr drei Wochen bevor Dad nach Hause kam, als das Bett geliefert wurde. Wir waren hier unten, und die Möbelpacker brachten ein großes flaches Paket und die spezielle orthopädische Matratze, die Dad jetzt braucht. Die Männer waren sehr nett und hilfsbereit. Obwohl es nicht ihr Job war, bauten sie das Bett zusammen und legten die Matratze hinein. Ich wartete, bis sie weg waren, bevor ich was sagte. Ich wurde puterrot dabei und schwitzte unter den Armen.
    »Es ist ein Einzelbett«, sagte ich.
    Mam kippte fast hintenüber vor Schreck. Es war, als hätte ich sie geschlagen.
    »Eala, das ist schwer zu erklären«, sagte sie. »Ich hab mit Fiona Sheedy darüber gesprochen, und sie meint …«
    »Ich hasse es, wie die Frau sich in unser Leben einmischt«, sagte ich und ließ sie einfach stehen. Wenn sie wollte, dass er in einem Einzelbett schlief, konnte sie das doch selbst bestimmen. Kindisch, ich weiß. Aber hätte ich auch nur andeuten können, was mir wirklich durch den Kopf ging?
    Bevor Dad nach Hause kam, verbrachte ich viel Zeit damit, alles zu googeln, was es unter »Schädel-Hirn-Trauma« im Internet gibt. So nennen sie das, was Dad hat, abgekürzt SHT. Inzwischen google ich es nicht mehr. Ich habe aufgehört, nachdem ich zufällig auf die Zahl der Ehescheidungen gestoßen bin, zu denen es kommt, wenn ein Partner davon betroffen ist. Es war ein richtiger Schock. Nach einer Studie waren es 40 Prozent der Ehen, die an der Krankheit des Partners zerbrachen, bis zu 54 Prozent laut einer anderen Studie. Auf einer der einschlägigen Websites vermuteten sie, dass sich längerfristig sogar sieben von neun Paaren trennten. Ich wurde den Gedanken nicht mehr los. Bis heute nicht. Wie kann man jemanden verlassen, wenn er einen am dringendsten braucht?
    So viel zur Liebe. Wie gewonnen, so zerronnen. Am besten man verliebt sich erst gar nicht, so sehe ich das. Vielleicht liebt man besser überhaupt niemanden. Nicht mal seine Mutter oder seinen Vater. So hast du wenigstens nichts zu verlieren, wenn sie verschwinden oder dich verlassen oder verrückt werden. Vielleicht war es gut, dass Dad keine Erinnerungen an seine Eltern hatte. Er war früher trotzdem glücklich, oder täusche ich mich da auch?

8
    Die Sonne ändert alles, und heute ist ein strahlender Tag. Ich bin um acht Uhr aufgewacht, und obwohl ich nur drei oder vier Stunden geschlafen hatte, wusste ich, dass es ein guter Tag werden würde. Ich hatte recht.
    Wir schauten uns vier komplette Folgen Father Ted an. Dad war in Hochform, und der Spaß, den er hatte, schien ein ganzes Feuerwerk in seinem Gehirn zu entzünden. Erst machte er die Typen nach wie früher. Dann explodierte auch etwas in meinem Kopf, nämlich als er Dialoge mitsprach und manchmal schneller war als die Schauspieler. Ich rief Mam aus der Küche. Tom hing mal wieder samt Traktor wie ein Äffchen an ihrem Hals. Sie setzte sich aufs Sofa und schaute auch eine Weile zu. Ich wusste, dass sie dasselbe dachte wie ich: Jetzt gerade sind wir am nächsten an dem Menschen dran, den wir wiederfinden möchten.
    Kurz darauf kam

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