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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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Finger wickelt. Ich bin vielleicht nicht Dads Liebling, aber ganz bestimmt Martins. Ich bin seine Angie. Ein verrückter Gedanke, aber wahr. Ich höre gerade nicht ihre Stimme, aber ich sehe sie vor mir, und sie sieht nicht wirklich glücklich aus.
    »Da ist diese Agentur, die vor ein paar Jahren einen Typen in England für mich aufgespürt hat«, erzählt er. »Ich wollte ein Haus kaufen, und dieser Typ hatte es geerbt, war aber nie aufgetaucht. Die Agentur hat ihn dann gefunden. Und ja … jetzt hab ich die Leute gebeten, der Sache mit Jimmys Papieren nachzugehen, einfach um zu sehen, was dabei rauskommt.«
    »Agentur – du meinst eine Detektei?«
    »Es ist nicht so dramatisch, wie es sich anhört, wirklich.Hauptsächlich gehen sie Hinweisen in Akten nach, in Registern. Die gibt’s ja für alles: Geburten, Hochzeiten, Todesfälle. Es ist eine öde Arbeit, und sie dauert.«
    »Aber sie haben was gefunden?«
    »Nicht wirklich.«
    Wir stehen hinter dem ersten Auto vor der Einmündung. Der Fahrer ist zu ängstlich, um in die große Straße einzufahren, obwohl er genügend Zeit dazu hätte. Martin hupt. Er tut so was sonst nicht. Er lehnt sich zurück und macht kreisende Kopfbewegungen gegen seinen verspannten Nacken.
    »Diese Leute, die Agentur, sie kennen sich mit solchen Dingen aus«, erklärt er. »Sie machen sich keine großen Hoffnungen, was zu finden.«
    »Du meinst, wir werden nie wissen, wer Dad war … ist?«
    »Das steht zu befürchten.«
    »Das heißt, wir kriegen auch nie das Geld von der Versicherung, stimmt’s?«
    »Selbst wenn wir seine wahre Identität klären können, werden sie wohl nicht zahlen müssen«, sagt Martin.
    Das Auto vor uns fährt jetzt doch, und wir sind endlich auch heraus aus dem Stau. Auf der Gegenfahrbahn rauschen die Autos an uns vorbei. Ich schaue in die Gesichter der Fahrer und Mitfahrer. Sind sie alle die, die sie vorgeben zu sein? Ich versuche, die herauszupicken, die ihre Identität gewechselt haben könnten, aber die Autos huschen zu schnell vorbei, als dass ich mich für jemanden entscheiden könnte.
    »Wie können diese Agenturleute so sicher sein, dass sie nichts finden?«, frage ich. Vielleicht zahlt die Versicherung, vielleicht nicht. Trotzdem will ich wissen, wer mein Vater ist. Jeder hat das Recht, das zu wissen, oder etwa nicht?
    »Sie haben schon so viele solche Recherchen gemacht, dass sie ein Gespür dafür haben, welche davon in einer Sackgasse enden. Und sie haben auch ein Gespür dafür, warum.«
    Martin vermeidet immer noch den Blickkontakt mit mir, das macht mich unsicher, und die lange Pause, die er einlegt, tut ein Übriges.
    »Sie sagen, das Justizministerium hat ihm vielleicht eine neue Identität verschafft. Oder er hat sich irgendwo falsche Papiere gekauft.«
    »Und was heißt das jetzt?«
    »Das heißt, dass es ein halbes Dutzend Möglichkeiten gibt, was dahintersteckt, mindestens.«
    »Er hat irgendwas Schlimmes getan, oder?«
    »Oder es ist ihm was Schlimmes angetan worden«, sagt Martin.
    Dads große Angst fällt mir ein.
    »Darum geht’s, wenn er von dem Mann spricht, stimmt’s?«
    Martin sieht mich kurz an. Ich weiß, dass Mam ihm von Dads »Obsession« erzählt hat, wie sie es nennt. Martin scheint froh zu sein, dass wir gerade wieder anhalten müssen und er etwas dazu sagen kann.
    »Vielleicht auch nicht. Fiona Sheedy hat eine Theorie, worum es dabei gehen könnte, und ich glaube, sie hat vielleicht recht.« Vor Miss Understanding gibt es kein Entrinnen. »Sie sagt, der Mann könnte gut Jimmy selbst sein. Der alte Jimmy.«
    »Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Doch, ich denke schon. Tief drinnen ist Jimmy vielleicht vage bewusst, dass er früher ein anderes Leben hatte. Dass er mal ein anderer Mensch war, wenn du so willst. Es könnte sein, dass er diesen Menschen für jemanden vollkommenanderen hält, eine Art Schatten, von dem er glaubt, er sei immer in seiner Nähe. Wenn es so ist, muss ihn das ja verstören.«
    »Aber es erklärt nicht seine gefälschte Geburtsurkunde«, halte ich dagegen.
    »Nein«, sagt er. »Aber hör zu, Judy braucht das mit dem Geld von der Versicherung nicht zu wissen. Noch nicht, okay? Sie hat heute schon genug durchgemacht.«
    Wir überqueren die Blackcastle Bridge. Der River Walk drüben liegt im Dunkeln. Keine Schwäne auf dem Wasser heute Abend, jedenfalls keine, die ich sehe. Ich sollte Martin bitten, hinter der Brücke links abzubiegen, damit wir nicht an der Unfallstelle vorbeikommen. Aber ich tu’s nicht.

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