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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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Bierkrug gefährlich schräg, und sein Kopf wackelt wie ein Luftballon an der Leine. Er ist hackedicht.
    »Ich kann’s gar nicht abwarten, den Kopf in deinem Schoß zu vergraben«, lallt er grinsend. Er meint die letzte Szene in der »West Side Story«. Der Held ist tot, und Maria hält singend und weinend seinen Kopf.
    »Dann sorg dafür, dass du bis dahin keine Läuse mehr hast«, gebe ich zurück.
    Dann spürt Brian, dass ich langsamer geworden bin, und schaut über die Schulter. Er wirft Derek einen bösen Blick zu, aber ich gehe weiter, und wir schaffen es aus der Tür.

26
    In der Friary Street muss ich fast rennen, um mit Brian Schritt zu halten, und komme mir lächerlich vor. Die kalte Luft ist ein Schock für meinen benebelten Kopf, und ich stolpere.
    »Nicht so schnell, Brian!«
    Aber er wird erst langsamer, als wir von der Friary Street zum Town Square abbiegen. Für die Party gehen wir jetzt in die falsche Richtung.
    »Wo willst du hin?«, frage ich.
    »Ich hab keine Lust auf die Party, Eala, macht’s dir was aus?«
    »Egal«, sage ich, aber ich will auch noch nicht nach Hause, und das ist genau die Richtung, die er eingeschlagen hat. So hatte ich mir Silvester nicht vorgestellt. Außerdem habe ich plötzlich Angst, in unserer Straße könnten wieder Polizeiautos stehen. Oder Martins Mercedes. Oder ein Krankenwagen vorm Haus von Mrs Casey, vor deren Süßigkeitenladen wir gerade angehalten haben.
    »Können wir uns kurz hinsetzen?«, frage ich und warte die Antwort nicht ab.
    Ich lasse Brians Hand los und setze mich auf die breite Fensterbank des Ladens. Brian setzt sich neben mich und legt den Arm um meine Schultern. Mit dem rasierten Kopf,der gebrochenen Nase und der kleinen Narbe unter dem linken Auge ginge er glatt als Türsteher durch. Fehlt nur der dunkle Anzug und der Knopf im Ohr. Nur seine Augen passen nicht dazu, die Fenster zu seiner Seele. Aber Augen können sich ändern. Dads Augen haben sich geändert. Sie sind mehr Fensterläden als Fenster.
    Erst heute Morgen bin ich erschrocken, wie kalt und teilnahmslos er Mrs Casey angesehen hat, als sie plötzlich vor unserer Tür stand. Sie war im Nachthemd, und man konnte die Umrisse ihres zerbrechlichen Körpers darunter sehen. Eine Ahnung Lippenstift, den sie offenbar schnell aufgelegt hatte, machte ihr Gesicht zu einer Maske.
    »Wissen Sie, wie es ist, allein zu sein?«, sagte sie, als Mam ihr öffnete. »Wenn man niemanden hat, nicht mal mehr einen Hund, der einen beschützt?«
    Mam versuchte, sie hereinzubitten, um sie zu beruhigen, aber Mrs Casey wollte nicht. Als ich dazukam, versuchte ich, Dad von der Haustür wegzulotsen, aber er rührte sich nicht vom Fleck. Erst Sean schaffte es, ihn ein Stück in den Flur zu bugsieren.
    »Wir haben Ihren Hund nicht angerührt, Mrs Casey«, beteuerte Sean, aber ich war mir sicher, dass er log, und Mam vermutete es wohl auch. »Vielleicht hat er’s tot sogar besser als von morgens bis abends festgebunden hinter Ihrem Haus.«
    » Der Mann war’s«, sagte Dad und goss damit noch mehr Öl ins Feuer.
    »Ich weiß, worauf Sie aus sind, Mr Summerton«, sagte die alte Dame und richtete ihren knochigen Zeigefinger auf ihn. »Sie wollten schon immer, dass ich in ein kleineres Haus umziehe. Leugnen Sie es nicht! Und jetzt machen Siemir das Leben zur Hölle, um mich loszuwerden. Erst haben Sie meinen Hund verprügelt, und jetzt haben Sie ihn vergiftet. Sie beobachten mich, ich weiß es, ich kann Sie sehen, wenn Sie …«
    »Mrs Casey, bitte!«, flehte Mam sie an. »Jimmy hat nichts getan. Er war immer gut zu Ihnen, das wissen Sie. Und wenn er je davon gesprochen hat, dass Sie umziehen sollten, dann war es nur, weil er sich Sorgen um Sie gemacht hat.«
    »Ich werde ihn anzeigen, und diesmal wird mich kein Polizist überreden, es nicht zu tun«, drohte Mrs Casey. »Niemand verjagt mich aus meinem Haus!«
    »Niemand versucht, Sie aus Ihrem Haus zu verjagen, Mrs Casey«, sagte Mam.
    »Doch. Alle. Und Sie auch«, sagte die alte Frau störrisch. »Ich weiß, wo Sie arbeiten. Die wollen mich ins Heim stecken, der indische Doktor da und die Schwestern, alle, und Sie helfen ihnen dabei. Darum wollen Sie mich aus meinem Haus vertreiben. Aber ich habe mein ganzes Leben hier gewohnt, und ich werde hier sterben, so wie mein Raymond hier gestorben ist. Wenn er noch da wäre, könntet ihr alle was erleben.«
    Als Mrs Casey gegangen war, knöpfte sich Mam Sean vor. Sie war in Panik, dass die alte Frau noch einen Schlaganfall

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