Jimmy, Jimmy
über Zinédine Zidane«, sagte ich. »Er ist ein berühmter französischer Fußballer. Er hat in einem Weltmeisterschaftsendspiel zwei Tore geschossen und wurde in einem zweiten vom Platz gestellt. Er ist am Leben, Jimmy. Du hast ihn nicht umgebracht. Du kennst ihn nur vom Fernsehen, du bist ihm nie begegnet.«
»Er macht auch Bücher. Oben im Haus.« Er flüsterte und schaute dabei zur Decke. »Er ist böse.«
»Jimmy …«
»Ich bin auch nicht gut. Ich mache Dinge kaputt und verletze Menschen. Was bin ich für ein Mensch, Eala?«
»Du bist ein guter Mensch. Ein lieber Mensch.« Ich kniete neben dem Bett und konnte mich nicht bewegen, weil ich wusste, dass ich dann ins Dunkel stürzen würde. Hatte ich richtig verstanden? Er hatte als Kind einen Mann umgebracht? Wer konnte das gewesen sein? Und warum hatte er das getan? Er begann, an einem der gestickten Gänseblümchen herumzuzupfen, die mit ein paar Stichen lose an der Bettdecke befestigt waren.
»Was passiert mit mir, wenn ich die Nerven verliere, Eala?«
»Wir verlieren alle mal die Nerven.«
»Alan nie«, sagte er. »Und ich auch nicht, wenn ich mit ihm zusammen bin. Oder mit Marta.«
»Das ist gut«, sagte ich.
»Es wäre schön, wenn Alan mit mir in die Reha käme. Ichwerde ihn vermissen«, sagte er. »Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn er nach Limerick zieht.«
Er zupfte an den Fäden, die das Gänseblümchen hielten, und plötzlich hielt er es in der Hand. Er schaute mich schuldbewusst an, dann drückte er’s mir in die Hand.
»Ich hab’s nicht absichtlich gemacht.«
Es ist seltsam, wie man sich in so einer Situation zusammenreißen und die Tränen zurückhalten kann, obwohl man später, wenn man allein ist, total zusammenbricht. Seit Dad weg ist, fühle ich mich jeden Tag schlechter. Trotz der Tabletten. Und was, wenn sie alle sind? Wenn mein Plan aufgeht, brauche ich mir wenigstens darüber keine Sorgen mehr zu machen. Er muss aufgehen. Mir fällt einfach nichts anderes ein, was Dad aus dieser Albtraumwelt geschredderter Erinnerungen erlösen und ihm wieder ein richtiges Leben geben könnte. Einen Grund zum Leben.
Ich nehme eins der Kissen von unter meinem Kopf und lege mich auf die Seite, dann schließe ich die Augen und halte das Kissen, als wäre es mein in eine weiche Decke gewickeltes Baby. Ich stelle mir vor, wie Mam austickt, wenn sie hört, dass ich schwanger bin. Aber dann bestehe ich darauf, dass ich das Baby behalte, und aus ihrem anfänglichen Zweifel wird pure Begeisterung. Dad ist erst nur fasziniert, aber ganz allmählich verwandelt sich die Faszination in die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Er liebt mein Baby und erkennt, dass er selbst Kinder hat. Dass ich eins dieser Kinder bin und dass er mich genauso liebt. Wenn er so weit ist, werde ich ihm auch sagen, dass sein dunkles Geheimnis bei mir sicher ist, begraben und versiegelt für immer.
Ich würde gern meine Schlaftablette nehmen und den Traum weiterträumen, aber erst muss ich dafür sorgen, dass er wirklich wird. Und dazu muss ich Jill anrufen. Und danach Brian. Ich scrolle Jills Nummer und drücke die grüne Taste.
»Eala?«
»Na, wie …wie geht’s?«
Reiß dich doch zusammen! , sagt Angie. Du nuschelst ja!
»Sorry, dass ich so spät noch anrufe.«
»Es ist halb zwölf«, sagt Jill schläfrig. »Bist du okay? Hast du was getrunken?«
»Was?«
Jetzt werd nicht gleich sauer! , sagt Angie.
»Nein, nein, ich bin nur ein bisschen müde. Aber schlafen kann ich trotzdem nicht, und da … Ich dachte nicht, dass es dir was ausmacht, wenn ich anrufe.«
»Tut’s auch nicht. Ich hab nur einen Schreck gekriegt.«
Ich weiß nicht, wer mehr danach klingt, als ob er was eingeworfen hätte, sie oder ich.
»Alles klar bei dir?«, sage ich.
»Ja, sehr gut. Ruhig.«
»Sind Win und Richard schon in Dublin?«
»Nein. Erst nächste Woche.«
»Es ist schade«, sage ich. »Ich meine, dass sie jetzt doch zurückgehen, nicht, dass sie noch nicht zurückgegangen sind.«
»Eala, du klingst komisch. Soll ich rüberkommen?«
»Nein, nein. Mach dir keine Sorgen, ich bin nur ein bisschen durch den Wind.« Und dann kriege ich doch noch die Kurve: »Aufgeregt halt.«
»Aufgeregt? Warum?«
»Ich geh mit Brian.«
»Hab’s schon gehört«, sagt sie. »Er wird dir das Herz brechen, Eala, ich hab dich gewarnt.«
»Du bist auch drüber weggekommen.«
»Das war was anderes.«
Für meinen Geschmack hätte sie das jetzt nicht zu sagen brauchen.
»Eala, da gibt es
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