Jimmy, Jimmy
was, das du über ihn wissen solltest. Ich wünschte, ich müsste es dir nicht erzählen …«
»Ich weiß alles, was ich über Brian wissen muss, glaub mir«, sage ich, aber im Stillen denke ich: Woher weiß sie, dass Brian in dem Auto war, das gegen die Ufermauer gerast ist?
»Das glaube ich eben nicht, Eala. Win hat mir erzählt …«
»Ich weiß es«, sage ich. »Brian hat’s mir erzählt, okay? Er war blöd und hat einen großen Fehler gemacht, was soll’s.«
»Aber wie kannst du mit jemandem gehen, der so … so verantwortungslos ist und sich um nichts und niemanden schert?«
»Ich will’s einfach.«
Trag dicker auf! , sagt Angie.
»Ich hab’s so satt, niemanden zu haben.«
»Du müsstest nicht so oft allein sein, das weißt du. Ich frag dich andauernd, ob du mit ins Kino oder sonst wohin gehst.«
Wenn du mit verschreibungspflichtigen Medikamenten vollgepumpt bist, arbeitet dein Gehirn langsamer – was nicht immer schlecht ist. Wenn dir die Gedanken im Höchsttempo durch den Kopf jagen, bringst du sie schwer wieder auf die Reihe und scheiterst an den einfachsten Sachen. Und das hier ist eine einfache Sache: Win, Brian und Richard – wie konnte ich nur so blind sein?
Win hat mir erzählt … Jill redet nicht von dem Autounfall, sondern von Wins Schwangerschaft. Plötzlich sehe ich ein Bild vor mir: Es ist Silvester, wir sitzen auf dem Schaufenstersims von Mrs Caseys Laden, und Brian sagt mir, ich soll Jill nicht glauben, wenn sie schlecht über mich spricht. Und Win auch nicht, das ist ihm wichtig. Wahrscheinlich hat Win dafür gesorgt, dass er so schnell und unerwartet mit Jill Schluss gemacht hat. Ihn gewarnt, dass er die Finger von ihrer kleinen Schwester lassen soll.
»Eala? Sag doch was!«
Wie lange hat sie wohl auf eine Antwort von mir gewartet? Ich stehe auf und gehe durchs Zimmer, um mein Gehirn in Gang zu bringen und nicht gleich wieder wegzudriften.
»Bin wieder da. Ich dachte, ich hätte Tom gehört«, sage ich. »Also es gibt da was, worum ich dich bitten möchte.«
»Ja?«
Sie sagt nicht Klar! oder Geht in Ordnung! , sondern Ja? , als würde sie im Stillen denken: Bin gespannt, mit was die Verrückte als Nächstes kommt.
»Morgen Abend … ich erzähl Mam, dass du mich zum Übernachten einlädst, geht das in Ordnung?«
Keine Antwort. Ganz ruhig, Eala! , sagt Angie. Spiel die süße, unschuldige Maria aus der » West Side Story « !
»Es ist nicht Brians Idee, Jill«, sage ich. »Und ich hab nicht die Absicht, mit ihm … du weißt schon, was ich meine. Ich bin verknallt, aber nicht blöd.«
Ich lache, und es klingt wie ein Girlie-Lachen. Aber ich muss nachlegen.
»Bitte, Jill! Die ganze Zeit, seit …«
Nein, Angie, ich bring jetzt nicht Dad ins Spiel!
»… ich hab noch nie was von dir verlangt, Jill, bitte lass mich jetzt nicht hängen! Mich zieht’s jeden Tag ein bisschen mehr runter.«
»Eala?«
»Es geht in Ordnung, ja?«
»Okay«, sagt sie. »Aber es gefällt mir nicht. Ich mach mir Sorgen um dich. Du bist die ganze Zeit schon nicht mehr du selbst.«
Nicht du selbst. Ich hasse diese Phrase, aber ich lasse sie ihr durchgehen.
»Das weiß ich doch. Aber das wird wieder. Ich schaff das. – Danke, Jill!«
Ich mache schnell Schluss. Mein Herz überschlägt sich fast. Mein Mund ist staubtrocken. Das ist er zurzeit allerdings immer. Ich nehme meine Schlaftablette und trinke ein Halbliterglas voll Wasser dazu. Mir wird schwummrig, und ich muss mich hinlegen. Das Bett ist wie ein Boot, das sich von der Vertäuung losgemacht hat. Ich habe noch fast alle SMS, die Brian mir nach dem Silvesterabend geschickt hat. Ein paar davon lese ich jetzt. Die Art, wie er um ein Treffen bettelt, gibt mir den Mut, ihn anzurufen. Ein Freizeichen, dann ist er dran.
»Eala.«
»Brian, hör nur zu und sag Ja oder Nein, okay? Sind deine Eltern schon in Marokko?«
»Sie fahren morgen früh.«
»Kann ich morgen bei dir übernachten?«
»Du meinst, hier schlafen …«
»Ja oder nein?«
»Äh … sicher … wenn du …«
»Ich komm um neun.«
30
Brian wohnt am Stadtrand, in einer Sackgasse, in der nur Bungalows stehen. Gleich hinter ihrem liegt der Golfplatz. Als ich in die Straße einbiege, kann ich über die ganze vom Mond beschienene hügelige Anlage sehen. Dahinter liegt der Fluss. Ich weiß nicht, warum, aber bei dem Anblick fühle ich mich plötzlich einsam. Ich muss weiter und schauen, dass ich schnell an Jills Haus vorbeikomme. Ich wette, sie hält von ihrem Zimmer aus nach
Weitere Kostenlose Bücher