Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
Vom Netzwerk:
Roastbeef-Geschmack«, sagt er, und ich muss mich anstrengen, um beim Eingießen nicht zu zittern.
    Ich stütze mich auf den Sofatisch, um sicherzugehen, dass ich die Flasche richtig absetze.
    »Ich weiß nicht, ob ich es bin oder der Tisch, aber einer von uns schwankt«, sage ich. Was folgt, ist noch so ein dämliches Kichern. »Den solltet ihr zurückgeben. Also den Tisch.«
    »Ich hab ihn selbst gemacht«, sagt er.
    Er geht wieder auf den Sessel zu, aber ich mache ihm so offensichtlich wie möglich Platz auf dem Sofa. So als wollte ich sagen: Setz dich her und halt mich fest! Er gehorcht, aber nur zögernd. Ich hebe mein Glas, und er greift nach seinem.
    »Cheers«, sage ich.
    »Eala, können wir sprechen?«
    »Klar.«
    Der Orangensaft nimmt dem Wodka die Schärfe, und die dritte Tablette macht mich ruhiger. Oder waren’s vier?
    »Ich meine, bevor du noch mehr davon trinkst?«
    »Hör zu, Brian, da gibt’s nichts zu sagen«, sage ich, und der Satz fällt mir leicht, weil ich ihn so oft geübt habe. »Es war nicht deine Schuld, ich meine das Auto, die Bodenschwellen und was Dad passiert ist. Da gibt’s nichts zu verzeihen, wenn’s das ist, worauf du hinauswillst, okay?« Und dann spiele ich den entscheidenden Trumpf aus. Ich sageetwas, das ihm beweisen soll, dass ich nicht noch eine dumme Tussi bin, die sich ihm an den Hals werfen will. »Du bist nicht mein bête noire oder so.«
    »Dein was?«
    » Bête noir . Das ist französisch.«
    »Ich hatte kein Französisch.«
    »Ich hab diese Hausarbeit über den Holocaust geschrieben …«
    Hör auf! , sagt Angie. Er guckt dich schon an, als hättest du zwei Köpfe.
    »… und Dad hat mir geholfen. Von ihm hab ich den Ausdruck. Bête noire , das heißt so viel wie ›schwarzes Ungeheuer‹, irgendwas, wovor man schreckliche Angst hat oder dem man allein die Schuld gibt oder so. Für die Nazis waren die Juden die bêtes noires irgendwie. Oder Moment, andersrum, ich …«
    »Eala? Du bist nicht du selbst.«
    »Alle sagen das – Was glaubt ihr eigentlich, wer ich sonst bin?«
    Im Flur klingelt das Telefon. Das kann nicht Mam sein, oder doch? Jill würde mir das nicht antun, oder? Mich verraten? Vielleicht hätte ich mein Handy nicht ausschalten sollen, damit ich es merke, wenn Mam mich sucht.
    »Das wird meine Mutter sein«, sagt Brian. »Sie wollte jeden Abend anrufen.«
    »Geh nicht dran!«
    »Ich muss. Sonst ruft sie mich am Handy an, bis ich drangehe.«
    »Dann schalt’s aus.«
    »Das geht nicht. Sie macht sich Sorgen und kriegt die Panik, wenn ich nicht drangehe«, sagt er und springt schnellerauf, als ich ihn festhalten kann, was das Nächste gewesen wäre, was ich getan hätte, wenn mein Gehirn noch in der Lage gewesen wäre, die Botschaft rechtzeitig an die Hände zu schicken.
    »Es dauert nicht lange.«
    Er schließt die Tür hinter sich. Von mir aus. Ich gieße mir Wodka nach. Ohne Orangensaft diesmal. Ich verstehe nicht, was er da draußen sagt, aber ich spüre die Ungeduld in seinem Ton. Ich schlucke den Wodka, der wieder hochsteigen will, und gieße noch mal nach und kippe auch den. Ich kicke die Schuhe von den Füßen und strecke mich auf dem Sofa aus. Schluss mit dem Gequatsche! , sagt Angie. Wenn er zurückkommt, kein Gequatsche mehr! Ich angle mir ein geblümtes Sofakissen und halte es fest. Ich versinke in einen Tagtraum. Oder Nachmittagstraum, was auch immer. Ich halte Brian. Ich halte mein Baby. Ich summe »Tomorrow« und »Somewhere« und »Tonight«. Ich bin an einem Fluss, er strömt ruhig dahin …«
    »Eala?«
    Brian kniet neben mir. Ich versuche, die Arme um ihn zu schlingen, aber sie gehorchen mir nicht. Mir ist kalt. Meine Bluse ist bis zum Gürtel aufgeknöpft. Ich kann seine drei Gesichter nicht zu einem zusammenbringen. Der Sofatisch ist leer. Wie ist das passiert? Einer meiner Arme hebt sich. Ich kann mich nicht erinnern, ihm eine entsprechende Botschaft geschickt zu haben. Er fällt schwer auf Brians Schulter.
    »Himmel, Eala, was …«
    »Angie«, sage beziehungsweise lalle ich. »Nenn mich Angie! Ich weiß auch das von Win und dem Baby. Aber keine Angst, ich erzähl’s niemandem, okay? Es ist unser Geheimnis,und was wir hier machen, ist auch unser Geheimnis, okay?«
    Ich kann den Kopf nicht lange hochhalten und lasse ihn wieder sinken. Ich taste nach meinem Kissen, meinem Baby, aber es ist nicht da. Macht nichts, werd ich’s eben finden, wenn ich wieder aufwache. Ich hab aus Versehen eine Schlaftablette genommen, das war’s, was

Weitere Kostenlose Bücher