Jinx - der verfluchte Liebeszauber
dann traf es mich wie ein Blitz. Sie war nicht schwarz angezogen. Sie trug Jeans – aber nicht die über und über mit Pentagrammen und anderen magischen Symbolen vollgekritzelten, die sie manchmal anhatte, sondern ganz normale blaue Jeans.
Und sie war fast nicht geschminkt. Tory war von Natur aus so hübsch, dass sie sowieso nie die Massen von Lidschatten, Eyeliner und Wimperntusche gebraucht hatte, mit denen sie sich immer zugekleistert hatte. Ohne sah sie genauso umwerfend aus … nur eben auf eine andere, auf eine verletzlichere Art.
Und noch etwas war anders. Ihr Gesichtsausdruck. Es dauerte einen Augenblick, bis ich ihn einordnen konnte.
Sie sah aus … ja, sie sah tatsächlich so aus, als würde sie sich freuen, mich zu sehen.
»Ich wollte mich entschuldigen«, sagte sie leise. »Tut mir leid, dass ich die ganze Zeit so fies und gemein zu dir war.«
Ich war so erstaunt, dass mir fast die Geige aus den Händen gefallen wäre.
»Ich weiß, dass ich in letzter Zeit total psycho drauf war«, sagte sie zerknirscht. »Ich kann mir selbst nicht erklären, was mit mir los war. Wahrscheinlich ist mir alles über den Kopf gewachsen. Der Prüfungsdruck in der Schule, die Sache mit Zack und… diese Hexengeschichte. Am Ende hab ich meinen ganzen Frust an dir ausgelassen. Ich habe lange mit meinem Therapeuten darüber geredet, und dabei ist mir klar geworden, wie ungerecht ich war. Na ja, und dafür würde ich mich gern entschuldigen. Ich möchte mich auch bedanken für das, was du gemacht hast … also, dass du das Valium ausgetauscht hast, meine ich. Ich weiß jetzt, dass du das nur getan hast, weil du dir Sorgen um mich gemacht hast. Mir ist inzwischen bewusst geworden, dass ich wahninniges Glück habe, so viele Menschen um mich zu haben, die mich lieben und sich um mich sorgen. Vielleicht glaubst du mir das jetzt nicht, Jinx … aber all das, was in den letzten Tagen passiert ist, hat mich wirklich wachgerüttelt. Und … ich würde mich echt freuen, wenn du … na ja, wenn du mir eine zweite Chance geben würdest.«
Ich sah sie fassungslos an. Ich hatte schon öfter gehört,
dass Therapien Wunder bewirken können, aber so eine radikale Veränderung hätte ich niemals erwartet.
»Ich …« Was konnte ich darauf antworten? Ich war wahnsinnig erleichtert, die alte Tory – die Tory, die ich vor fünf Jahren kennengelernt hatte – wiederzuhaben. Wenn es denn wirklich wahr war. »Meinst du das ernst?«
»Ja. Absolut«, sagte Tory lächelnd. Sogar ihre Haare waren anders, wie ich jetzt bemerkte. Sie hatte sie an den Seiten mit Klammern hochgesteckt, sodass sie ihr nicht mehr in die Augen fielen. Sie sah richtig süß aus. Und glücklich. Ausnahmsweise mal.
»Ich habe eingesehen, dass diese Hexen-Idee total albern war. Wenn ich daran denke, dass ich Grandmas Geschichte von Branwen so ernst genommen habe… und dann die Sache mit der Puppe, die ich von Zack genäht habe …« Sie schüttelte sich. »Gott! Ich kann selbst nicht glauben, dass ich das echt gemacht habe. Mir ist das Ganze richtig peinlich! Deswegen hab ich die blöde Puppe auch in den Müll geworfen.« Sie sah mich bittend an. »Ich wünsche mir wirklich, dass wir wieder Freundinnen sind, Jinx. Meinst du, das können wir schaffen?«
»Klar können wir das schaffen!«, rief ich, als mir plötzlich etwas einfiel. »Aber was … was ist mit Shawn?«
»Shawn?« Tory sah verwirrt aus. Dann lachte sie. »Ach so, Shawn! Ja. Krass, oder? Ich hab keine Ahnung, wer ihn bei der Schulleitung angeschwärzt hat. Aber eigentlich
ist es für ihn besser so. Ich habe gehört, dass sein Vater seine Beziehungen spielen lässt, um ihm einen Platz an der Spencer School zu verschaffen. Auf seinen Rezeptblock wird er in Zukunft bestimmt besser aufpassen.«
»Aber . . .« Ich spürte, wie ich rot wurde. »Gretchen und Lindsey denken, dass ich ihn verraten habe. Alle an der Schule glauben das.«
»Ach, echt?« Tory schüttelte den Kopf. »Aber das ist doch absurd! Natürlich warst du es nicht. Ich verstehe gar nicht, wie jemand auf diese Idee kommen kann. Gott, du hast aber auch echt ein Pech, Jean. Aber das war ja schon immer so. Weißt du was? Das ist eines der Dinge, die ich an dir am meisten liebe. Du bist so … verlässlich.«
Ich starrte sie an. Sie schien es ernst zu meinen. Sie schien wirklich … na ja, wieder die alte Tory zu sein.
Ich war so überwältigt, dass ich mit ausgebreiteten Armen auf sie zuging, als ich bemerkte, dass ich immer
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