Jinx und der magische Urwald (German Edition)
war, und sah eine Reihe von Türen in verschiedenen Farben. Die Tür zu Simons Haus war blauviolett. Die würde er wiederfinden.
Er trat in den Schatten eines Hauses, um seine Füße zu kühlen.
Er war in … genau, das Wort hatte er schon mal in Simons Büchern gelesen: in einer Stadt. Und er ging durch eine Straße.
Jinx bog um eine Ecke und sah einen Mann, der über und über mit Hühnern behangen war. Flatternd und gackernd, waren sie kopfüber an zwei Stangen gebunden, die der Mann auf den Schultern balancierte. Er schaute Jinx unbeteiligt an, doch Jinx fiel auf, dass in dem Blick nichts von der Angst lag, mit der Fremde einander im Urwald beäugten. In einer Wolke aus Federn und Hühnerdunst ging der Mann vorbei.
Weitere Straßen kamen, weitere Abzweigungen und noch mehr würfelförmige Häuser mit bunten Türen. Jinx war jetzt schon sechs- oder siebenmal um die Ecke gebogen. Bunt gekleidete Menschen gingen vorbei.
Sie sahen so anders aus als die Leute im Urwald. In mancher Hinsicht ähnelten sie ihnen – ihre Haare und Augen hatten die üblichen Farben und Formen, und ihre Haut hatte alle Schattierungen von Blassrosa bis Dunkelbraun. Aber ihre Gesichter waren anders als die der Urwaldleute; sie wirkten entspannter – nicht so, als rechneten sie jeden Moment damit, dass etwas hervorspringen und sie fressen könnte.
Und wie Zauberer sahen sie auch nicht aus.
Jinx ging weiter. Die Häuser wurden höher, und der Boden war mit flachen, sandbedeckten Steinen gepflastert. Er hatte vergessen, wie viele Male er schon abgebogen war, und er hätte nicht mehr sagen können, in welcher Richtung Simons Haus lag. Ohne Bäume war es schwierig, sich zu orientieren. Manchmal trat ihm jemand auf die Füße. Die Leute hier schienen es gewohnt zu sein, dass man zusammenstieß und dann einfach weiterging. Jinx nicht. Es machte ihn nervös, unter so vielen Menschen zu sein, und die Bäume fehlten ihm. Die vielen Stimmen ratterten ihm in den Ohren. Alle sprachen gleichzeitig, übertönten sich gegenseitig, schrien sich nieder. Nichts wirkte auch nur im Geringsten magisch.
Er gelangte auf einen großen gepflasterten Platz. Immer noch keine Bäume und keine Spur von Magie, aber es gab viel zu sehen. Auf dem Platz waren Decken und Teppiche ausgebreitet, und die Leute hatten jede Menge Waren zum Verkauf ausgestellt. Jinx sah merkwürdige Stachelfrüchte aufgehäuft, Zwiebeln, Fässer mit Roggen und kostbarem Weizen. Er roch die ungewöhnlichen Gewürze, die Simon auch in seiner Küche hatte.
Ein großes gelbes Gebäude beherrschte den Platz. Jinx hatte ein solches Gebäude schon mal auf einer Abbildung in einem Buch gesehen, aber er wusste nicht mehr, wie es hieß. Eine breite Treppe führte hinauf, und vor dem Gebäude war ein Vorbau mit Säulen. Jetzt fiel ihm wieder ein, wie man so ein Gebäude nannte: Tempel. Fasziniert ging er darauf zu, wobei er ein paarmal geschubst und herumgestoßen wurde und ihm mehrmals jemand auf die Füße trampelte.
Der Tempelhof war von einem hohen Zaun aus spitzen Eisenspeeren umgeben. Das Tor stand offen, und Jinx ging hindurch. Jetzt sah er, dass in das kleine Dach über den Säulen die Wörter
Wissen ist Macht
eingraviert waren.
Die Wörter aus dem Zauberbuch!
Die Wörter, die auch Sophie ausgesprochen hatte. Ob er Sophie hier finden würde? Und ob er etwas über seinen verlorenen Zauber herausbekommen könnte? Einige Leute liefen die Treppe hinauf oder hinunter, gingen durch die große Tür in den Tempel oder kamen heraus. Alle hatten solche Gewänder an, wie auch Sophie sie manchmal trug.
Ganz bestimmt war sie hier. Er überquerte den gepflasterten Hof und versuchte dabei, so zu gehen wie die Leute in den Gewändern, zügig und zielstrebig, doch ohne Hast. Auch ohne seine magische Kraft konnte er die Ruhe spüren, die von den Menschen hier ausging. Hätte er sie sehen können, wäre sie wahrscheinlich dicht und lavendelfarben gewesen.
Die Tatsache, dass er die Farbe des Gefühls fast sehen konnte, gab ihm Hoffnung, hier seine magische Kraft wiederzufinden.
Er ging die Treppe hoch. Eine Frau schaute ihn neugierig an, dann ging sie geschäftig weiter. Jinx versuchte ebenfalls geschäftig auszusehen.
Die große Flügeltür stand weit offen, und Jinx ging hindurch. In dem Tempel war ein riesiger Saal. Lange Arbeitstische aus Holz standen in Reihen hintereinander, und Hunderte von Leuten mit Gewändern saßen daran und schrieben. Nur das Kratzen von Schreibfedern war zu hören, ab und
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