Joanna Bourne
war gut. Sie würde sich nicht so zusammenkauern können, wenn eine Rippe gebrochen wäre. »Ihr bekommt also wieder Luft.«
Mit dem Rücken zu ihm atmete sie tief ein und aus. »Das war es dann wohl mit dem freundschaftlichen Umgang im Dunkeln, wo es doch nicht zählt«, stellte er fest.
Keine Antwort.
Fetzen des flammenfarbigen Nachthemds umschlangen sie, als läge sie inmitten einer zerrupften exotischen Orchidee. Ihr Haar war schwarz wie Tinte und bildete einen starken Kontrast zu ihrer weißen Haut. In letzter Zeit hatte sie es nicht leicht gehabt. Er konnte ihre Rippen zählen. Sie war mit einer ganzen Reihe blauer Flecken in allen Stadien übersät. Unter den Trümmern befand sich ein wirklich bezaubernder Körper. Nicht üppig, aber perfekt geformt. Wenn sie in der Dresdner Porzellanmanufaktur nackte Figürchen hergestellt hätten, dann wohl nach ihrem Vorbild. Überlasst es den Franzosen, solch eine Schönheit zu finden, und macht eine Spionin aus ihr .
Ihre Garrotte hing absurd rot über der Bettkante. Demnach war sie ein Teil von ihrem Nachthemd, also etwas, das er selbst ins Zimmer bestellt hatte. Wie dumm von ihm.
Das Band bestand aus verwobener Seide und war absolut reißfest. Eine elegante, tödliche Waffe. Hätte sie ihn tot sehen wollen, wäre er es jetzt.
»Eine von uns«, hatte Doyle gesagt. »Eine der Besten.« Nun hatte Grey sie … nackt, arg in Mitleidenschaft gezogen und so schwach, dass sie sich nicht einmal die Haare aus dem Gesicht streichen konnte. Völlig am Boden. Er hatte nichts weiter tun müssen, als sie halb verhungert, erschöpft und auf der Flucht vor jedem Polizeiagenten in Frankreich einzufangen – und sie halb bewusstlos zu schlagen. Mit dem Vorteil, doppelt so schwer wie sie und ein trainierter Killer zu sein. Wirklich einfach.
Gratuliere, Robert. Hast noch einen französischen Spion besiegt. Ausgezeichnete Arbeit. Verdammt, er hasste es, sich mit Frauen zu prügeln.
Bei ihrer kleinen Auseinandersetzung waren die Decken heruntergefallen. Er hob eine auf und deckte sie damit zu. Da endlich wurde ihr bewusst, dass er noch da war. Sie zog sich die Decke bis unters Kinn und kuschelte sich hinein. »Hab ich Euch verletzt?«
Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. »Habt Ihr was ?«
»Mit der Garrotte. Habe ich Euch verletzt? Ich hatte Angst, Euch dabei zu töten. Es ist sehr riskant, jemanden mit der Garrotte anzugreifen. Aber ich hatte keine andere Wahl, also habe ich es gewagt.«
Das klang irgendwie logisch, aber gleichzeitig auch verrückt. Er saß auf dem Bett, griff unter die Decke und hielt sie an der Schulter fest. Keine Reaktion. Vielleicht hatte sie es nicht wahrgenommen. »Ihr habt es … gewagt?«
»Als das mit dem Kerzenständer nicht geklappt hatte. Sie war meine letzte Waffe, die Garrotte. Ich war mir fast sicher, dass ich Euch nicht erdrosseln würde, aber ein Restrisiko bleibt immer.«
Ihre ruhigen, wohlüberlegten Worte waren wieder eine ihrer Lügen. Um das zu wissen, brauchte er ihr nicht ins Gesicht blicken. Auf ihrer Haut konnte er dieses ganz feine Zittern spüren, welches ihm verriet, dass sie voller Angst, Erschöpfung und wie betäubt war. Sie befand sich in einem Schockzustand. Er hatte ihn bei Männern nach einer Schlacht beobachten können, bei Gefangenen während des Verhörs. Setzte man einem Menschen nur hart genug zu, stand er bald wie teilnahmslos neben sich. Annique hatte diesen Zustand erreicht.
»Ein Restrisiko«, wiederholte er prompt mit leiser Stimme.
»Ich kenne mich im Umgang mit der Garrotte nicht aus. Ich habe sie nur einmal ausprobiert; an einem Nachmittag, an René, nachdem der sie mir in Françoises Küche erklärt hatte. Er hat sich natürlich nicht so fürchterlich gewehrt wie Ihr. Wegen des guten Geschirrs wahrscheinlich.«
»Das Geschirr muss wirklich ein Problem gewesen sein.«
»Françoise wäre nicht begeistert gewesen, wenn wir es zerbrochen hätten.« Sie streckte eine Hand unter der Decke hervor und wischte sich damit übers Gesicht. »René meinte, ich müsste irgendwie gefährlicher werden, weil ich ja so klein war. Er hat mir viele gefährliche Tricks beigebracht, aber sie waren nie so erfolgreich, wie er erwartet hatte.« Sie seufzte schwer. »Hätte ich doch die Garrotte gar nicht erst ausprobiert. Ich wusste es, aber ich wollte ja nicht auf meine innere Stimme hören. Und gebracht hat sie auch nichts. Sie war zu grob, hat Euch nur in Rage gebracht und verletzt.«
Sie hatte die Garrotte nicht zu
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