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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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sie leise, ›und außerdem ist die Dirne tot.‹« Sie blickte ihn noch einmal scharf an. »Ich habe mich gefragt, warum Ihr mich in der Stadt so merkwürdig angesehen habt.«
    »Ihr ähnelt ihr.«
    »Ich möchte nicht wie jemand anderes aussehen. Ich habe schon genügend Schwierigkeiten, ohne dass sie auch noch von einer … einer Doppelgängerin gemehrt werden.«
    Vielleicht war die Geschichte nicht besonders überzeugend gewesen. Er wartete ab, bemühte sich, gleichmäßig zu atmen, und konzentrierte sich darauf, das Pferd oder den Boden anzusehen. Ein Mann, der log, schaute seinem Gegenüber dabei gerne in die Augen.
    »Ich habe Fehler gemacht«, sagte sie nach einer ganzen Weile, »die mich nachts verfolgen und die ich nicht auslöschen kann.« Sie fuhr mit dem Daumennagel über die ganze Länge des Grasstängels und runzelte die Stirn. »Ihr habt mein Leben gerettet. Wie dem auch sei, ich kann nicht glauben – «
    »Ich hätte Dover ohnehin morgen verlassen.« Die rational und logisch denkende Annique. Man brauchte ihr nur eine plausible Erklärung zu geben, und sie wäre überzeugt. »Um meine Heimat zu besuchen. In Somerset. Ich komme sowieso durch London und würde mich über Reisegesellschaft freuen.«
    An dieser Stelle brach er ab. Beim Lügen keine Ausschmückungen, wie Hawker immer sagte.
    »Ach, das ist gar keine so große Planänderung, dieser eine Tag früher. Es mag Euch wie eine Fügung des Schicksals vorkommen, wenn ich direkt vor Eurer Nase erscheine. Ich glaube nicht so leicht an derartige Dinge, kenne aber viele Leute, die da ganz anders sind.«
    In ihre abstrusen, cleveren Gedanken versunken, schaute sie über die Felder.
    Glaub es einfach, Annique, nur dieses eine Mal. Glaub mir. Führe mich zu den Albion-Plänen. Mach es uns beiden leicht.
    Dann nickte sie. »Ich werde mit Euch nach London reisen, wenn es das ist, was Ihr zur Bewältigung der Vergangenheit tun müsst. Das bin ich Euch schuldig. Aber Robert … es wäre klüger, wenn Ihr zu Eurem Schiff und Eurer Familie zurückkehrt und diese Frau vergesst, die längst ihren Frieden mit Gott gemacht hat.«
    »Wenn ich Euch heil und gesund nach London bringe, dann ist es genug. Das zumindest muss ich tun.«
    Obwohl sie seine Entschlossenheit herausgehört haben musste, war sie nicht verängstigt. Gut. Er war es verdammt noch mal leid, ihr Angst zu machen.
    » Bon . Dann reisen wir jetzt also bis London gemeinsam. Ich nehme die Gesellschaft dankend an.«
    Sie wandte ihr Gesicht dem Verlauf der Straße folgend nach Norden und schätzte die Entfernungen. So sah er schließlich die wahre Annique Villiers. Das also hatte sie in all den Jahren gemacht, als sie in Jungenkleidung quer durch ganz Europa im kunterbunten Gefolge der Armee herumgezogen war und dabei an irgendetwas knabberte, das sie von Wiesen und Feldern aufgelesen hatte. Ein Lerchenpärchen flog neben ihnen aus dem Feld auf und flatterte in einem komplizierten Muster auf eine Baumgruppe zu. Ihre Miene hellte sich auf, während sie ihnen nachblickte, den Moment genoss und eine weitere Erinnerung in sich hortete.
    »England wird mir gefallen.« Sie ging weiter. »Ich bin erst seit vier Stunden hier und schon drei Männern begegnet, die mich umbringen wollten, und einem, der mir Wellhornschnecken gekauft hat. Wie auch immer, dies ist kein Land, das mir keine Beachtung schenkt.«

19
    The Green Parrot Inn,
    Dover, England
    »Ich schneide ihr die Kehle durch.« Henris Gesicht glich einer grün-blauen Landschaft. Seine auf dem Tisch liegende Hand steckte in einem weißen Verband.
    »Du Esel! Glaubst du etwa, die Engländer sind taub?« Leblanc blickte sich um. Fischer stopften sich mit Zwiebeln und gebratenem Fisch voll. An einem Ecktisch trank eine Frau Gin. Niemand hörte zu. »Du wirst deine Chance noch früh genug bekommen.«
    »Aber zuerst mache ich ihn fertig. Ich werde ihn wie eine Makrele auseinandernehmen und im eigenen Blut verrecken lassen.«
    »Wie beim letzten Mal?«
    »Niemand hat gemeldet, dass dieser englische Spion in Dover ist. Woher hätte ich wissen sollen – ?«
    »Hör auf! Du winselst wie ein Hund.« Leblanc beugte sich über seinen gepanschten Rum. Die Schmerzen in seinem Arm waren unerträglich. Er war in England, in Gefahr, in dieser dreckigen Spelunke am Hafen. Jeden Augenblick konnte sich so ein dummer, schwerfälliger britischer Beamte ihm in den Weg stellen und mit Fragen belästigen. Annique war ihm entwischt, was ganz allein Henris Schuld war. »Sie geht zu

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