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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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ein Geschenk vor ihr aus. Es war, als hätte er sein Leben lang auf die Chance gewartet, einer über die staubigen Straßen von Kent wandernden, hinterhältigen französischen Spionin seine Geschichte zu erzählen. Jetzt wusste sie von dem Haus in Somerset, wo er aufgewachsen war, wo seine Mutter, sein Vater, der ältere Bruder Spence und eine jüngere Schwester immer noch lebten.
    Sie konnte sich das große alte Bauernhaus mit den Pferden im Stall und den Hühnern gut vorstellen, auf die seine Mutter so stolz war. Hühner, von denen jedes einen Namen hatte und die aus einer besonderen Zucht aus Konstantinopel stammten und so überhaupt nicht wie andere Hühner waren. Robert besaß, wie sie jetzt wusste, ein eigenes Haus, Tydings genannt, um das sich eine Tante von ihm kümmerte. Außerdem hatte er einen Bruder in der Armee und drei weitere Schwestern, die zwar jünger als er, aber verheiratet waren und nicht mehr zu Hause wohnten.
    Es war eine Freude und Last zugleich, all das zu wissen. Sie würde sich daran erinnern, wenn sich ihre Wege trennten, und dann bestimmt unendlich traurig sein.
    Sie hatten ihr Lager weit abseits der Straße aufgeschlagen, tief in den Stoppeln eines abgeernteten Feldes versteckt. Sie wendete die glühenden Hölzer mit einem angespitzten Stock. Solche sauberen, unauffälligen Feuer hatte sie schon tausendmal entfacht. Es qualmte kaum. Außerdem stiegen keine Funken in den Nachthimmel und verrieten, wo sie waren.
    Robert hörte mit Hardings Verwöhnprogramm auf und setzte sich neben sie ans Feuer. »Das ist eine hübsche Melodie. Was ist das?«
    »Was denn? Oh, ich habe gar nicht gemerkt, dass ich summe. Es ist ein Kinderlied.« Sie setzte sich auf die Fersen. »Lasst mich mal überlegen … Übersetzt würde es etwa so heißen: ›Lasst das Blut der Aristokraten durch die Gossen strömen. Lasst uns die Hände in ihren Eingeweiden waschen. Lasst alle, die sich gegen des Volkes Stimme erheben, wie Ratten verrecken.‹ Es geht noch lange weiter.«
    »Großer Gott.«
    »Ganz recht. Trotzdem hat es eine hübsche Melodie. Schade, dass ich eine Stimme wie eine Dohle habe, wie mir einige Leute bescheinigen. Wir haben das immer beim Seilspringen gesungen. ›Eins und zwei, Aristoleben sind vorbei. Drei und vier, Verräter sollen sterben hier.‹ Als ich sechs war, waren wir alle ohne Ausnahme ziemlich blutrünstig. Das war in dem Jahr, als wir die Bastille stürmten. Es ist ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass alle Jungen, mit denen ich gespielt habe, jetzt in der Armee sind oder tot.«
    »Eine interessante Zeit.«
    »In jener Zeit in Paris zu sein, bedeutete, am Wendepunkt der Geschichte zu stehen. Träume wurden mit eisernem Willen verfolgt. Möglichkeiten über Möglichkeiten. Das versteht Ihr Engländer nicht. Wir Franzosen werden nicht eher ruhen, bis die Revolution die ganze Welt erfasst hat. Napoleon nutzt diese Träume für seine Zwecke aus. Niemand weiß, was noch auf uns zukommen wird.«
    »Ihr glaubt also, dass der Frieden nicht hält?«
    Sie wusste, dass der Frieden nicht von Dauer wäre. Die Albion-Pläne nannten ein Invasionsdatum. Sie wusste genau, auf welchen Straßen die Truppen der Grande Armée marschieren würden. Einige Soldaten, ein Drittel der Armee, würden auf dieser Straße durchziehen und dabei morden und plündern. »Napoleon hat einen Hang zum Erobern, nicht zum Herrschen. Es wird keinen Frieden geben.« Das Feuer zischte und knackte behaglich, während sie die glühenden Scheite, eines nach dem anderen, umdrehte. Sie hatte zugesehen, wie Häuser und Dörfer so lange brannten, bis sie genauso aussahen: wie glühende Kohlen. »In diesem Moment, wo wir hier sitzen, bereitet er einen Krieg vor.«
    »Vielleicht sucht er sich aber auch ein anderes Land für einen Einmarsch aus, eines, das nicht völlig von Wasser umgeben ist und eine kleinere Marine besitzt.«
    »Und besseres Wetter.« Heute hatte es eine Zeit lang geregnet, genau wie gestern. Sie mochte es nicht, ständig triefend nass zu sein.
    »Einer dieser römischen Schriftsteller hat etwas über den Regen in England gesagt. Vom Regen verunstaltet … oder so ähnlich.« Anfangs hatte es sie überrascht, dass Robert Fordham, ein Schmuggler und Sohn eines Freibauern aus Somerset, die Erziehung und Bildung genossen haben sollte, die man ihm anmerkte. Vielleicht las er viel auf See.
    »Das ist Tacitus. Er sagte, dass der Himmel in diesem Land zwar häufig von Wolken und Regen verunstaltet, die Kälte aber niemals extrem

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