Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jodeln und Juwelen

Jodeln und Juwelen

Titel: Jodeln und Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
von eineinhalb Minuten hatte Emma die gesamte Bevölkerung von Pocapuk
zur Küchentür zitiert. Einige standen davor, andere dahinter, allesamt in
verschiedenen Stadien der Entkleidung von schicklich bis geradezu anstößig, und
alle verlangten lautstark und ungeduldig nach einer Erklärung.
    Eine Frau, die bei der
Wohltätigkeitsveranstaltung der Pleasauncer Feuerwehr auch ohne Mikrophon problemlos
die Begrüßungsrede halten konnte, war selbstverständlich auch in der Lage, ein
Dutzend aufgeschreckte Inselbewohner zu übertönen. »Während der letzten halben
Stunde«, informierte Emma ihre Zuhörer, »hat man mir einen Schlag auf den Kopf
gegeben und Mrs. Brooks Schlafzimmer durchwühlt. Es war das vierte Mal
innerhalb von vierundzwanzig Stunden, dass jemand hier auf Pocapuk tätlich
angegriffen wurde, und das dritte Mal, dass jemand in ein fremdes Zimmer
eingedrungen ist. Der erste Überfall hat zum Tod des Opfers geführt, und das
zweite Opfer ist nur mit viel Glück einer Schädelfraktur entgangen. Beim
nächsten Mal, falls es denn ein nächstes Mal geben sollte, könnte einer von
Ihnen dabei sein Leben verlieren.«
    Die letzte Bemerkung wurde mit
unruhigem Gemurmel quittiert, das Emma jedoch sofort unterdrückte. »Aus diesem
Grund habe ich Sie alle aus dem Bett geholt. Die Insel wurde sorgfältig
abgesucht. Es gibt keinen geheimnisvollen Fremden, der in den Büschen auf sein
nächstes Opfer lauert. Wer immer diese Untaten begangen hat, muss einer von uns
sein. Ich gehe nicht davon aus, dass der Täter ein Geständnis ablegt. Wer Sie
auch sein mögen, Sie sind offenbar ein gewissenloser Bösewicht und besitzen
keinen Funken Höflichkeit und Anstand. Aber eins sollten Sie wissen: Sie können
aufhören, Leute niederzuschlagen und Zimmer zu durchwühlen, denn das, wonach
Sie suchen, werden Sie ohnehin nicht finden.«
    »Sie meinen den Schatz?« erkundigte
sich Black John Sendick, der sein Tycho Brahe-Sweatshirt diesmal falsch herum
und mit der Innenseite nach außen trug.
    »Nein. Ich meine damit ein
außerordentlich hässliches, immens kostbares Diamantcollier, das ich
unwissentlich selbst hierher gebracht habe. Während der Überfahrt mit der Fähre
hat jemand meine Reisetasche gestohlen und das Collier im Futter versteckt.
Offensichtlich in der Absicht, es später wieder an sich zu bringen. Der Mann,
der gestern Morgen ertrunken hier aufgefunden wurde — «
    »Hieß Jimmy Sorpende«, warf Theonia
ein. »Er war ein ziemlich dummer Krimineller mit Gefängnisvergangenheit.«
    »Warum zum Teufel ham Sie das nicht
gesagt?« brüllte Vincent. Er trug einen alten Bademantel mit einem indischen
Muster, wie sie Ende der zwanziger und Anfang der Dreißigerjahre modern gewesen
waren. Wahrscheinlich ein Familienerbstück, schoss es Emma durch den Kopf.
    »Aber das habe ich doch«, teilte
Theonia mit zuckersüßer Stimme mit. »Entschuldige bitte die Unterbrechung,
Emma. Sprich ruhig weiter.«
    »Vielen Dank, Theonia. Ich weiß nicht,
in welcher Mission der verstorbene Mr. Sorpende hier war. Da er ein erfahrener
Einbrecher war, hat er wahrscheinlich vorgestern Nacht die Tasche aus meinem
Zimmer entwendet, während ich schlief. Er nahm natürlich an, das Collier
befände sich noch darin. Doch ich hatte es zufällig am Vorabend entdeckt, in
einen Safe gelegt und durch eine Kette aus meinem Theaterschmuckfundus ersetzt.
Ich weiß selbst nicht, warum, es schien mir zu dem Zeitpunkt einfach eine gute
Idee zu sein.«
    »Mein Gott!« rief einer der Anwesenden.
    Emma wartete auf einen etwas erhellenderen
Kommentar, doch als dieser ausblieb, fuhr sie fort. »Die Tatsache, dass Mr.
Sorpende später einen Schlag auf den Kopf erhielt und die Klippe
hinuntergeworfen wurde, lässt darauf schließen, dass er einen Komplizen hatte.
Der Komplize fand heraus, dass der echte Schmuck fort war, und nahm an, dass
Mr. Sorpende das Collier für sich behalten wolle. Er — ich benutze das Pronomen
selbstverständlich neutral — bekam daraufhin einen Wutanfall und ermordete Mr.
Sorpende. Die Tasche mit dem wertlosen Schmuck warf er ihm in seinem Zorn
hinterher. Glaubst du nicht auch, Theonia?«
    »Entweder hat es sich so abgespielt,
wie du gerade beschrieben hast, oder der Komplize hat Jimmy Sorpende zuerst
ermordet, um selbst in den Besitz des Colliers zu kommen, und ihm die Tasche
nachgeworfen, weil er sie wieder loswerden wollte. Wir werden vermutlich nie
erfahren, wie es sich tatsächlich abgespielt hat. Aber das ist vielleicht gar
nicht so

Weitere Kostenlose Bücher