Jodeln und Juwelen
alles ertragen, was es zu
ertragen gab. So war es schließlich immer gewesen. Als Vincent mit den beiden
Deputys auf der Veranda erschien, begrüßte Emma sie so entspannt, als wären sie
geladene Gäste bei einer ihrer Gartenpartys.
Deputy MacDuff hatte diverse Streifen
auf seiner Uniformjacke und war für den verbalen Part zuständig. Deputy MacIvor
besaß weniger Streifen und hielt überwiegend den Mund.
»Wahrscheinlich möchten Sie genau
wissen, was sich hier abgespielt hat«, begann Emma.
»Sie haben schon eine ziemlich genaue
Vorstellung davon«, sagte Vincent.
»Genau«, sagte Deputy MacDuff. »Na,
dann wollen wir mal schön der Reihe nach. Sie sind sicher Mrs. Kelling. Und Sie
sind eine gute Freundin von Mrs. Sabine. Richtig?«
»Im Prinzip ja. Ich bin Mrs. Beddoes
Kelling aus Pleasaunce, Massachusetts. Ich bin verwitwet, und mein Vorname
lautet Emma. Allerdings bin ich seit vielen Jahren mit Mrs. Sabines Tochter
Marcia und deren Ehemann Parker Pence befreundet. Adelaide Sabine habe ich erst
richtig kennen gelernt, als sie vor vier Jahren zu ihrer Tochter nach
Pleasaunce zog. Seitdem sind wir ebenfalls befreundet. Daher habe ich mich auch
angeboten, Mrs. Sabine hier auf Pocapuk zu vertreten, als ihr Arzt in letzter
Minute entschied, dass sie besser nicht reisen sollte. Zu diesem Zeitpunkt
hatte sie bereits das Personal eingestellt und alle sechs Cottages vergeben.
Sie wollte ihre Gäste auf keinen Fall im Stich lassen, auch wenn sie keinen von
ihnen je zu Gesicht bekommen hatte. Das hat sie übrigens bis heute nicht, wie
Sie sich unschwer vorstellen können.«
»Verdammt nobel«, knurrte MacDuff.
In Wirklichkeit meinte er natürlich
»verdammt dämlich«. Emma schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, dass es merkwürdig klingt,
aber Mrs. Sabine hatte immer schon die Angewohnheit, Maler und Schriftsteller,
die sie nicht unbedingt persönlich kennen musste, auf die Insel einzuladen. Sie
wusste, dass sie sich auch in diesem Jahr auf Vincent verlasen konnte und dass
er alles wie gewohnt handhaben würde. Im Grunde bringt sie es einfach nicht
übers Herz, Pocapuk aufzugeben. Glauben Sie nicht auch, Vincent?«
»Darüber kann ich mir kein Urteil
erlauben«, antwortete er mit heiserer Stimme. »Ich weiß bloß, dass ich jeden
Sommer herkomme, seit ich fünfzehn war. Wir sind immer sehr gut klargekommen.
Sie weiß genau, dass ich — «
»Wie dem auch sei«, Emma griff schnell
ein, damit die anderen nicht merkten, wie nah der Mann dem Zusammenbruch war.
»Die erste Warnung, die bereits ziemlich drastisch ausfiel, bekam ich auf der
Fähre, als man mich betäubte und meine alte Ledertasche mit Theaterschmuck
stahl.«
»Sind Sie sicher, dass man Sie betäubt
hat?«
Deputy MacDuff glaubte ihr kein Wort.
Emma konnte es ihm zwar nicht verdenken, hatte jedoch keine Lust, als Lügnerin
dazustehen.
»Allerdings. Ich gebe zu, dass es wie
ein billiges Melodram klingt, aber das Gleiche ist mir vor einigen Jahren schon
einmal passiert. Und zwar in meinem eigenen Haus, als dort ein wertvolles
Gemälde gestohlen wurde. Die Symptome waren dieselben. Wie sich herausstellte,
war meine Tasche jedoch nur vorübergehend verschwunden. Graf Radunov hat sie
kurze Zeit später gefunden. Am besten erzählt er es Ihnen gleich selbst.«
»Moment noch«, sagte Vincent. »Am
besten holen wir die anderen auch rein, damit alle hier sind, falls es sons’
noch Fragen gibt.«
MacDuff sagte, das sei eine gute Idee,
MacIvor schien diese Auffassung zu teilen, und Vincent ging hinaus, um seine
Truppe zu holen. Die drei Jüngsten waren sichtlich begeistert, dabei sein zu
dürfen, nur Bubbles jammerte, er müsse unbedingt schnell wieder in die Küche.
Ted Sharpless war zu Tode erschrocken und konnte dies nur schlecht verbergen.
Inzwischen war es auf der Veranda so eng, dass sie kaum noch Platz fanden.
Bubbles setzte sich auf den einzigen noch freien Stuhl, Neil und die Mädchen
machten es sich auf dem Boden bequem, Ted stellte sich an die Tür, die von der
Veranda ins Esszimmer führte, als wolle er sich auf einen möglichst schnellen
Abgang vorbereiten.
Radunov fuhr fort, wo Emma aufgehört
hatte, und MacDuff befragte daraufhin die anderen. Der Deputy war alles andere
als ein Trottel vom Lande, stellte klare und präzise Fragen und benötigte nur
wenig Unterstützung von Emmas Seite. Emma hatte oft genug bei Versammlungen den
Vorsitz geführt, um zu wissen, wann man besser den Mund hielt und wann nicht.
Deputy MacIvor notierte eifrig, was die
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