Jodeln und Juwelen
gesagt.«
Emma lachte. »Warum nicht? Dein Vater
ist wenigstens klug genug, fremden Menschen nicht einfach blind zu vertrauen,
besonders wenn man bedenkt, was in den letzten Tagen alles passiert ist. Mrs.
Sabine hat großes Glück, einen so gewissenhaften Hausmeister zu haben. Aber
jetzt machst du dich besser auf die Socken, ich nehme an, dein Vater hat genug
für dich zu tun.«
»Das kann man wohl sagen. Paps ist ein
Naturtalent, wenn es darum geht, einen mit Arbeit zu versorgen. Dann bis
später.«
Emma und Theonia fuhren fort, das
Durcheinander in Ordnung zu bringen, das der Möchtegerndieb hinterlassen hatte.
Adelaide Sabine hatte sich anscheinend angewöhnt, Jahr für Jahr Unmengen von
Dingen wie Dessous, Nachtwäsche und Freizeitkleidung in Pocapuk zurückzulassen.
Vielleicht hatte sie keine Lust gehabt, jedes Mal tonnenweise Gepäck hin und
her zu schleppen. Was durchaus vernünftig war, Emma hätte es genauso gemacht.
Trotzdem hätte sie mit den persönlichen Kleidungsstücken der alten Dame lieber
nichts zu schaffen gehabt. Irgendwie hatte sie das Gefühl, in die Privatsphäre
eines anderen einzudringen. Adelaide gehörte einer Generation an, für die
derartige Dinge noch sehr wichtig waren.
Nun ja, wenn Adelaide nichts davon
wusste, konnte sie sich auch nicht aufregen, dachte Emma. Ob Sarah mehr Glück
bei ihren Nachforschungen über das potenzielle Dienstmädchen hatte als sie? Es
war schon fast Mittag. Wenn Sarah sich nicht bald meldete, würde Emma sie
anrufen. Und wenn jemand am Zweitanschluss mithörte? Eigentlich auch egal, je
früher Licht in die Sache kam, desto besser für alle Beteiligten. Mit einer
Ausnahme allerdings, wie Lisbet Quainley in ihrer Albernheit so treffend
bemerkt hatte.
Aber immer eins nach dem anderen. Erst
galt es, die Arbeit hier zu Ende zu tun. Sie hängte gerade Mrs. Sabines
schäbigen Morgenmantel zurück in den Schrank, als Bernice nervös an die Tür
klopfte und den Kopf ins Zimmer steckte.
»Mrs. Kelling, da ist ein Anruf für
Sie. Es ist Ihre Nichte.«
»Oh, gut. Vielen Dank, Bernice.
Möchtest du mithören, Theonia?«
»Geh ruhig allein. Ich komme nach,
sobald ich hier oben fertig bin.«
Emma versuchte gar nicht erst, Theonia
zu überreden, und ging sofort nach unten. Vincent war schon im Wohnzimmer und
hatte den Apparat aus dem chinesischen Kabinett geholt. Einen perfekteren
Hausmeister konnte man sich wirklich nicht vorstellen. Emma nickte ihm zu und
nahm den Hörer entgegen.
»Ja, Sarah. Was ist denn los?«
»Ziemlich viel. Erstens hatte Mrs.
Sabine im vorigen Jahr tatsächlich ein Dienstmädchen dabei. Ein junges Mädchen
von neunzehn Jahren namens Cecily Green. Sie war die Tochter von jemandem, der
für die Pences arbeitet. Eine Kunststudentin, was dich vielleicht interessieren
wird. Mrs. Sabine hat dem Mädchen tatsächlich verraten, wie man den Safe
öffnet. Sie musste wohl tagelang das Bett hüten, weil sie einen ihrer
Schwächeanfälle hatte, und wollte nicht, dass ihr Schmuck offen herumlag.«
»Aber warum hat sie denn Vincent nicht
eingeweiht?« wunderte sich Emma. »Vielleicht war es ihr peinlich, dass er in
ihrem Schlafzimmer Botengänge für sie erledigte, während sie im Nachthemd im
Bett lag. Daher hat sie sich wohl dem fremden Mädchen anvertraut. Oje!«
»Es kommt noch schlimmer«, sagte Sarah.
»Ich bin der Geschichte nachgegangen und habe mich genauer nach Cecily Green
erkundigt. Sie war ein sympathisches Mädchen aus einer respektablen Bostoner
Familie, wenn auch nicht sonderlich intelligent. Als sie wieder in Boston war,
hat sie sich mit einem Jungen namens Ted Sharpless angefreundet, der irgendwo
aus der Gegend kommt, in der du dich gerade aufhältst. Sie haben sich in einer
Single-Bar kennen gelernt, wenn ich richtig informiert bin. Sie hat sich Hals
über Kopf in den Jungen verliebt. Aber ihr Vater fand heraus, dass er auf
Bewährungsurlaub war, und zwang seine Tochter, sich von ihm zu trennen. Das war
irgendwann Ende April. Kurz nach der Trennung von Ted kam Cecily bei einem
Unfall mit Fahrerflucht ums Leben. Vielleicht war es auch nur ein
vorgetäuschter Unfall. Das könnte der eigentliche Grund dafür sein, dass
Sharpless wieder zurück nach Maine gekommen ist.«
»Sarah!«
»Eine merkwürdige Geschichte, findest
du nicht? Wir wissen natürlich nicht, ob sie ihm beiläufig von dem Safe erzählt
hat oder ob er sich das Mädchen absichtlich ausgeguckt hat, um sie über das
Haus der Sabines auszuhorchen. Was den vermeintlichen
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