Jodeln und Juwelen
Unfall betrifft, hätte es
natürlich auch Sharp sein können, was ich allerdings bezweifle. Es wäre viel zu
offensichtlich gewesen. Wahrscheinlich saß er zur fraglichen Zeit mit seinem
Freund Jimmy irgendwo in einer Bar und bastelte an seinem Alibi, während ein
drittes Bandenmitglied Cecily Green aus dem Weg räumte. Wenn man Sharpless
ordentlich in die Mangel nimmt, packt er sicher aus.«
»Vincent sagt, dass die Leute des
Sheriffs bis Mittag hier sein wollen. Vielleicht sollten wir Ted vorher noch
ein bisschen mangeln.«
»Einen Moment noch, Tante Emma. Das ist
längst nicht alles. Du hattest mich doch gebeten, Joris Groot und Black John
Sendick auf den Zahn zu fühlen. Es wird dich interessieren, dass Footsy-Wootsy
vor drei Jahren von einem Konzern aufgekauft wurde. Die Firma hatte zwar seit
längerem Verluste gemacht, aber der Konzern ruinierte sie nach kürzester Zeit völlig
und verschaffte sich dadurch eine enorme Verlustabschreibung, was natürlich von
Anfang an so geplant gewesen war. Seitdem existiert die Marke Footsy-Wootsy
nicht mehr.«
»Warum hat mich Mr. Groot dann
angelogen? Meinst du, er hatte einen Nervenzusammenbruch oder so etwas und es
war die letzte Arbeit, an die er sich überhaupt erinnert? Wenn jemand jahrelang
Kinderturnschuhe zeichnet und plötzlich damit konfrontiert wird, dass es keine
Turnschuhe mehr zu zeichnen gibt, könnte es doch sein, dass er einen üblen
Schock bekommt, meinst du nicht? Aber wovon hat er in der Zwischenzeit gelebt?«
»Gute Frage, Tante Emma. Ich habe mich
bei unserem Freund Bill Jones nach ihm erkundigt. Bill ist ja selbst
Werbegraphiker.« Und vieles andere, aber darauf ging Sarah jetzt nicht näher
ein. »Er sagt, Groot sei tatsächlich Schuhspezialist gewesen, habe jedoch nach
der Auflösung von Footsy-Wootsy in diesem Bereich nur wenig zu tun gehabt.
Groot ist übrigens Junggeselle. Er hat immer noch ein Atelier mitten in Boston
und scheint über genug Geld zu verfügen, doch Bill weiß nicht genau, womit er
sich seinen Lebensunterhalt verdient. Aber das wird er noch herausfinden, darin
ist Bill ein Genie.«
»Vielen Dank, Sarah. Das ist in der Tat
mehr als genug Stoff zum Nachdenken.«
»Und Sendick ist der Sohn einer
ziemlich gut betuchten Familie, die in Beneficence lebt.«
»Beneficence? Das ist doch ganz in der
Nähe von Pleasaunce. Ob sie vielleicht zufällig Kunden von Parker Pence sind?«
»Gute Frage. Jedenfalls scheint dieser
Black John ein ziemliches Problem zu sein. Er hat das Boston College besucht,
sich dabei aber vor allem in Lacrosse, Wrestling, Leichtathletik und Fußball
hervorgetan, was ihm wenig oder gar keine Zeit für akademische Ziele übrig
ließ. Nachdem er durch die Prüfung gefallen ist, fuhr er per Anhalter nach
Alaska und arbeitete dort eine Zeit lang als Lachsfischer. Danach ging er nach
San Francisco, wo er praktisch über Nacht den schwarzen Gürtel in Karate bekam.
Er ist ein begnadeter Athlet, hat schon mehrere College-Wettbewerbe als
Langstreckenläufer gewonnen und war beim BAA Marathon vor zwei Jahren Fünfter.
Außerdem hat er einen Golden Gloves Boxkampf im Weltergewicht gewonnen, als er
noch zur Highschool ging. Was seine Schriftstellerkarriere betrifft, hat er
einige Artikel für die Pacific Salmon-Gutters’ Gazette geschrieben, die
recht gut besprochen wurden. Das scheint bis dato seine einzige literarische
Leistung zu sein. Er ist allgemein beliebt, gilt allerdings auch als
unbeherrscht und soll einen ziemlich üblen Sinn für Humor zu haben. Hilft dir
das weiter?«
»Keine Ahnung.«
Emma bestellte liebe Grüße an Max und
den kleinen Davy. Dann stellte sie das Telefon sorgsam zurück in das
chinesische Kabinett und schloss es ein. Sendick war also ein Läufer und
Raufbold und genoss es, anderen üble Streiche zu spielen. Und Groot war ein
Lügner. Aber warum log er? Und was würde passieren, wenn Emma zu Wonts Hütte
ging, ihn aus seinem angeblichen Alkoholrausch rüttelte und ihm mitteilte, dass
die Polizei auf dem Weg nach Pocapuk war?
Kapitel 24
Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig,
als abzuwarten. Emma hatte die Sommergäste wie Gänse auf der Sonnenveranda
zusammengetrieben. Es war ein zu schöner Tag, um drinnen im Haus zu hocken,
doch sie wollte auch nicht, dass sie frei herumliefen, wenn die Männer des
County Sheriffs eintrafen. Sie wollte, dass diese schreckliche Geschichte
endlich vorbei war, und zwar so bald wie möglich.
Und was kam dann? Würden sämtliche
Gäste abreisen?
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