Jodeln und Juwelen
Connecticut
gefiel ihnen bedeutend besser. Vermutlich würden sie die Insel zum Verkauf
anbieten, sobald die alte Dame unter der Erde war. Vielleicht war es klüger,
sie schon vor Adelaides Tod zu verkaufen. Auf diese Weise sparte man wenigstens
die Erbschaftssteuer. Ein wenig Publicity und die alte Hoffnung, die immer
erwachte, wenn von Piratenschätzen die Rede war, würde vielleicht dazu führen,
dass die Pences ein Riesenvermögen mit der Insel verdienten. Emma hielt es für
das Beste, zunächst kühlen Kopf zu bewahren.
»Das klingt wirklich hochinteressant«,
sagte sie. »Ich werde mich nicht einmischen, solange es nicht notwendig ist.
Aber es wäre natürlich in Ihrem eigenen wie in Mrs. Sabines Interesse, das
Projekt geheim zu halten. Sie werden hoffentlich keine Löcher auf dem
Grundstück graben, ohne vorher die ausdrückliche Erlaubnis der Eigentümerin
einzuholen. Und ohne dass absolut sicher ist, dass Sie keinerlei Schäden an
Gebäuden, Gartenanlagen oder dem Faulbehälter anrichten. Soweit ich weiß, gibt
es einen Hausmeister, der Ihnen genau sagen kann, was erlaubt ist und was
nicht.«
Wont stellte seinen Krug unsanft ab und
starrte sie durch seinen Bart hindurch an. »Und das bezeichnen Sie als nicht
einmischen, Mrs. Kelling? Darf ich Sie daran erinnern, dass es sich um mein Projekt handelt?«
Wenn sie wollte, konnte Emma
überzeugend die Grande Dame herauskehren. »Und darf ich Sie daran erinnern, Mr.
Wont, dass Pocapuk nicht Ihre Insel ist? Ihnen ist anscheinend noch nicht
aufgefallen, dass Sie bei der Organisation Ihrer Schatzsuche eine erstaunliche
Anmaßung an den Tag legen. Sie haben Ihr Vorhaben Mrs. Sabine gegenüber mit
keinem Wort erwähnt.« Sie wandte sich an die übrigen Personen. »War Ihnen
bewusst, dass Mr. Wont keinerlei Autorisierung bei den Eigentümern eingeholt
hat, als Sie sich auf dieses Projekt einließen?«
»Ev sagte, es würde schon alles in
Ordnung gehen«, murmelte Groot.
»Mrs. Sabine hat uns schließlich
eingeladen zu kommen«, warf Lisbet Quainley ein. »Ich habe einen sehr netten
Brief von ihr erhalten.«
Während die anderen sprachen, hatte
Mrs. Fath ein zuckerfreies Kaugummi aus ihrer geräumigen blauen Leinentasche
gefischt und vorsichtig ausgewickelt. Sie faltete es in der Mitte, steckte es
in den Mund, kaute zweimal und meldete sich zu Wort. »Der alten Dame ist es
ohnehin egal. Sie hat vor, die Insel zu verkaufen.«
Wahrscheinlich hatte sie Recht, doch
Emma hatte keine Lust, sich von dieser unheimlichen Vogelscheuche mittleren
Alters die Entscheidung abnehmen zu lassen. »In diesem Fall wäre es doppelt
wichtig für uns, die Insel möglichst unberührt zu lassen«, sagte sie.
»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch,
ich habe wirklich nicht das Geringste gegen Ihre Malerei oder Ihre
schriftstellerische Tätigkeit, und über den angeblichen Schatz von Pocapuk
wurde vermutlich schon eine Menge geschrieben. Ich glaube auch nicht, dass Mrs.
Sabine etwas dagegen hätte, selbst wenn ich das Gefühl habe, dass sie die
Piratengeschichte für erstunken und erlogen hält, wie dies bei derartigen
Geschichten meist der Fall ist. Soweit ich weiß, hat man die Insel schon
mehrfach auf den Kopf gestellt, ohne das Geringste zu finden. Ich halte es für
unwahrscheinlich, dass Sie mehr Glück haben sollten als Ihre Vorgänger, wenn
ich ehrlich sein soll. Aber ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass
phantasievolle Autoren oft nur wenig Material benötigen, um spannende
Geschichten zu konstruieren.«
Emma schenkte Everard Wont ihr
freundlichstes Lächeln. »Und jetzt sollten wir uns besser um unser Gepäck
kümmern. Wir nähern uns nämlich gerade Pocapuk Island.«
Die Fähre wurde langsamer und änderte
ihren Kurs. Pocapuk Island, eine felsige, mit Kiefern bewachsene schmale Insel,
kaum größer als einige der unbewohnten Inselchen, an denen sie vor kurzem
vorbeigefahren waren, kam immer näher. Emma konnte schon den Pier sehen. Es
stand jemand darauf, winkte jedoch nicht, sondern stand einfach nur
bewegungslos da. Die Insel war nicht sehr flach, direkt hinter dem Pier begann
ein sanft ansteigender Hügel. Bei ihrem letzten Besuch hatte Emma das Haus bei
der Ankunft gut sehen können. Inzwischen waren die Kiefern so hoch, dass man
durch die Äste nur ab und zu einen Blick auf das fleckig braune Holz erhaschte.
Emma konnte keine der Ferienhütten
sehen. Sie befanden sich alle auf der Rückseite des Hauses, wo es damals eine
steinige kleine Bucht gegeben hatte, in
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