Jodeln und Juwelen
bisschen
frischer Dill, den er bei sich zu Hause im Gewächshaus zieht. Aber wenn Sie das
alles nicht mögen, macht er Ihnen auch gern was anderes. Was halten Sie davon,
wenn ich das Tablett einfach hier lasse und den Stuhl umdrehe, damit Sie beim
Essen nach draußen aufs Wasser sehen können? Soll ich schon einschenken?«
»Danke, das schaffe ich schon«,
antwortete Emma, als Sandy ihr endlich Gelegenheit gab, auch etwas zu sagen.
»Wunderbar. Ich bin halb verhungert. Bist du so lieb und öffnest den großen
Koffer für mich? Und vielleicht könntest du schon anfangen, die Kleider in den Schrank
zu hängen?«
Sie hielt es für das Beste, die
unerschöpfliche Energie dieses kleinen Wirbelwindes konstruktiv zu nutzen. Emma
hatte eigentlich für einen Tag schon genug Wasser gesehen. Dennoch setzte sie
sich in den Sessel, den Sarah ihr vor das Fenster geschoben hatte, nippte an
ihrem Tee, stellte fest, dass er wie erwartet genau richtig schmeckte, und
probierte die Sandwiches. Absolut perfekt, selbst Mrs. Heatherstone hätte es
nicht besser machen können. Es gab auch heiße Scones in einer Serviette, dazu
Johannisbeerkonfitüre und echte Clotted Cream. Wo in aller Welt bekam Bubbles
hier auf der Insel frische Clotted Cream her?
Wahrscheinlich hielt er sich eine
Seekuh in einer Bucht und melkte sie höchstpersönlich. Diese Hypothese hätte
von Emmas Enkelin stammen können. Jammerschade, dass Klein-Em nicht mitgekommen
war, sie hätte sich mit Sandy bestimmt bestens verstanden. Und zweifellos
Vincents ganzes System durcheinander gebracht, so dass er das arme Kind zum
Schluss wahrscheinlich gefeuert hätte. Sandy widmete sich ihrer neuesten
Aufgabe mit sichtlicher Begeisterung. Sie konnte sich gar nicht einkriegen über
die schönen bestickten Seidenblusen, die Emma für die Abendgarderobe
mitgebracht hatte, und gab sich redlich Mühe, sie sorgfältig auf die gepolsterten
Bügel zu hängen. Emma bedauerte, dass sie nicht wenigstens ein oder zwei
wirklich elegante Abendkleider dabei hatte, wenn auch nur, um Sandy beim
Auspacken zuzusehen. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass man ihr eine
persönliche Kammerzofe zugedacht hatte. Dieser Haushalt war selbst ohne die
Hausherrin hervorragend organisiert.
Als Emma mit ihrem Tee fertig war,
hatte Sandy alle Koffer geleert. Nachthemden, Dessous und Strümpfe ruhten fein
säuberlich in den Schubladen, die Schuhe standen im Schrank. Emmas
Toilettensachen hatte das Mädchen auf dem Frisiertisch in dem geräumigen
Badezimmer aufgestellt, das Emma Gott sei Dank mit niemandem zu teilen
brauchte.
»Kann ich sonst noch was für Sie tun,
Mrs. Kelling?« Sandy verspürte anscheinend noch keine Lust zu gehen.
Emma war da anderer Meinung. »Würdest
du bitte das Tablett mitnehmen? Ich möchte mich gern ein bisschen hinlegen,
bevor ich mich umziehe und wieder nach unten komme.«
»Alles klar! Möchten Sie ein Negligé?«
Wenn es Sandy Freude machte, solide
maßgeschneiderte Gewänder als Negligé zu bezeichnen, würde Emma ihr nicht
widersprechen. »Ja, das weiche blaue, bitte. Mir wird allmählich ein wenig
kühl.«
»Ich kann die Heizung anmachen.«
»Nicht nötig. Ein heißes Bad wird mich
schon aufwärmen.«
»Soll ich das Wasser schon einlaufen
lassen?«
»Nein, vielen Dank, noch nicht.«
Selbst Sandy merkte, wenn sie
unerwünscht war. »Okay. Rufen Sie einfach, wenn Sie mich brauchen.«
Mit offenkundigem Bedauern nahm das
Mädchen das Tablett und ließ Emma allein. Emma schlüpfte aus ihrer
Reisekleidung, zog das blaue Gewand an und machte es sich auf der Chaiselongue
unter dem Fenster bequem. Eigentlich durfte sie nach dem unfreiwilligen
Nickerchen auf der Fähre nicht mehr müde sein, doch ihr Kopf schmerzte immer
noch, wahrscheinlich von dem Mittel, das man ihr verabreicht hatte, und sie war
erschöpft von der abwechselnd langweiligen und aufregenden Reise.
Wahrscheinlich würde sie sich nach einem ordentlichen Bad besser fühlen. Es war
undenkbar, dass Vincent nicht genug heißes Wasser für sie im Tank hatte, und
falls doch nicht, würde Bubbles sicher auf dem Herd Wasser heiß machen. Und
Sandy würde es freudestrahlend krügeweise nach oben schleppen wie die
abgearbeiteten Mägde vergangener Zeiten.
Emma musste sich unbedingt mit Bubbles
über den Speisezettel für den nächsten Tag unterhalten. Vielleicht aber auch
nicht. Möglicherweise arbeitete er nach einem festgelegten Schema, das sich
seit vielen Jahren bewährt hatte. Heute Abend gab es bestimmt
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