Jodeln und Juwelen
zurückkommen.«
»Machen Sie sich keine Sorge«, sagte
Emma. »Die Gäste sind alle im Wohnzimmer und spielen Poker. Ich nehme an. sie
bleiben noch eine ganze Weile.«
»Gar nich’ so schlecht an ‘nem Tag wie
heute. Dann mach’ ich am besten den Kamin an. Hätt’ ich schon früher dran
denken sollen.«
»Nicht nötig. Zwei von den Männern
haben sich darum schon gekümmert. Es wird die Gäste nicht umbringen, wenn sie
gelegentlich auch mal etwas tun, Vincent. Im Moment haben Sie sehr viel
wichtigere Dinge zu erledigen. Was machen Neil und Ted?«
»Arbeiten draußen, wie’s sich gehört.
Können nich’ einfach aufhören bloß wegen dem bisschen Regen. In so ‘nem großen
Haus gibt’s ‘ne Menge zu tun.«
»Dann will ich Sie auch nicht weiter
aufhalten. Nur noch eine Sache, Vincent. Mr. Sendick schlug vor, die Gäste
sollten sich den Toten anschauen, weil die Möglichkeit bestünde, dass sie ihn
wiedererkennen. Es könnte ja sein, dass er auch auf der Fähre war«, fügte sie
pflichtschuldig hinzu, auch wenn es sie selbst nicht überzeugte.
Vincent zuckte mit den Achseln. »Wollen
sich wohl ‘nen langweiligen Tag ‘n bisschen interessanter machen. Ich wüsste
nich’, was dagegen spricht. Passieren kann ja nichts. Und der Leiche is’ es
egal, soviel ist sicher. Schicken Sie die Leute einfach rüber, wenn Sie genug
von ihnen haben. Ich bin sowieso im Stall und repariere den Karren. Das wollte
ich eigentlich schon letzte Woche, aber da bin ich nich’ dazu gekommen. Es gab
immer noch was Wichtigeres zu tun. Aber sie sollen durch die Küche kommen,
damit sie nicht den Dreck durchs Haus tragen, wenn sie zurückgehen. An der
Hintertür hängen Regenmäntel.«
»Vielen Dank, ich werde es ihnen
sagen.«
Emma ging zurück ins Wohnzimmer und
amüsierte sich eine Weile damit, den anderen beim Pokern zuzuschauen. Graf
Radunov schnitt ziemlich schlecht ab. Jede Wette, dass er schlagartig besser
werden würde, wenn es mehr zu gewinnen gab. Joris Groot war ein guter,
konzentrierter Spieler. Black John gebärdete sich wie ein Wilder, ging
lächerlich hohe Risiken ein und kam trotzdem meist mit heiler Haut davon.
Lisbet Quainley war so ängstlich, dass Emma sich fragte, ob sie das Spiel überhaupt
verstand. Everard Wont hielt sich anscheinend für einen Fachmann, spielte
jedoch genauso schlecht wie Radunov. Wie Emma erwartet hatte, war er ein
miserabler Verlierer. Nach einer Weile nahm sie sich einen Stuhl, setzte sich
zwischen Sendick und Radunov und ließ sich ebenfalls Karten geben.
Emma war eine ausgefuchste
Pokerspielerin. Als Bed noch lebte, hatten sie jahrelang fast jeden
Samstagabend mit Freunden gespielt. Als sie sich ihr Blatt genau ansah,
entdeckte sie mehrere winzige Knicke an den Kartenrändern, und wusste sofort,
was dies bedeutete. Waren die Markierungen noch ein Überbleibsel der Sabine-Ära
oder hatte man heute mit einem frischen Spiel angefangen? Aus Neugier fügte sie
ein paar weitere Knicke hinzu und markierte ihre Karten bei jeder neuen Runde,
bis sie den persönlichen Code des anderen endgültig zerstört hatte.
Eine halbe Stunde später besaß Emma
mehr Chips als alle anderen zusammen. Black John Sendick war wie vor den Kopf
geschlagen und gab keinen Ton mehr von sich. Mit Joris Groots konzentriertem
Spiel war es vorbei. Radunov hatte sich verbessert, war aber immer noch nicht
gut genug. Lisbet Quainley spielte nicht besser als vorher, sah dafür aber sehr
viel glücklicher aus. Sie schien der Ansicht zu sein, dass Emma gerade eine
Lanze für die Gleichberechtigung der Frau brach. Everard Wont gab durch die
Blume zu verstehen, dass er Emma für eine Betrügerin hielt. Er verlangte ein
neues Blatt und begann, alle möglichen Regeln zu erfinden. Black John Sendick
wurde noch rücksichtsloser und gebärdete sich fast wie ein Wahnsinniger. Lisbet
Quainley wurde immer verwirrter. Emma blieb beim klassischen Stud-Poker und
sahnte weiter ab.
Groot warf als Erster das Handtuch. Er
legte die Karten, die Emma ihm gerade gegeben hatte, ruhig auf den Tisch, ging
zum Kaminfeuer und warf einen frischen Holzscheit so heftig in die Glut, dass
die Funken bis auf den Kaminläufer wirbelten. Dann nahm er seinen Skizzenblock
und machte es sich auf dem Sofa bequem. Reumütig gab Emma ebenfalls auf und
setzte sich neben ihn. Fast im selben Moment war auch Graf Radunov zur Stelle.
»Ah, verehrte gnädige Frau«, murmelte
er, »wie schade, dass die Zeit der großen transatlantischen Luxusliner zu
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