Jodeln und Juwelen
gern nachsehen, ob Mrs. Fath ihr Frühstück
bekommen hat.«
Dass sie außerdem herauszufinden gedachte,
was mit der Leiche geschehen war, behielt sie für sich. Es wäre unhöflich
gewesen, und eine gute Gastgeberin versuchte stets, alles Unangenehme von ihren
Gästen fern zu halten, selbst wenn sie sich heimlich eingestehen musste, dass
ihr diese Gäste ziemlich auf die Nerven gingen.
Der Regen war inzwischen richtig stark
geworden, und auch der Wind frischte weiter auf. »Kommt der Wind vor dem Regen,
kann man bald wieder Segel setzen. Kommt der Regen vor dem Wind, Topsegel
streichen und auf die Fallleinen achten.« Emma erinnerte sich noch an einige
Wetterregeln aus ihren Segeltagen, und sie stimmten jedes Mal. Im günstigsten
Fall würde es den ganzen Tag regnen, und wahrscheinlich kam auch noch ein Sturm
auf.
Auch wenn sie den unglückseligen Mann
nicht kannten und nicht wussten, was er getan hatte, konnten sie seine Leiche
unmöglich während eines Unwetters ungeschützt draußen am Dock liegen lassen.
Vielleicht war es absurd, die sterbliche Hülle eines Menschen mit einer
Ehrerbietung zu behandeln, die man dem Besitzer zu Lebzeiten nicht gezollt
hätte. Doch so war es nun einmal, und Emma würde es Vincent klar machen müssen.
Vincent war ihr natürlich wieder einmal
um Längen voraus. Sie fand ihn in der Küche. Er trug trockene Kleidung und hohe
Stiefel, stand neben dem großen schwarzen Eisenofen und hielt einen Becher mit
frischem Kaffee in der Hand. Der Ofen brannte, Emma konnte die gelben Flammen
hinter den offenen Schlitzen der vorderen Ofenklappe sehen. Vincent stellte
seine Kaffeetasse ab und nickte ihr zu. »Kann ich was für Sie tun, Mrs.
Kelling?«
»Ich wollte mich nur erkundigen, ob
Mrs. Fath etwas zu essen bekommen hat und was mit dem Fremden geschehen ist.«
Sie brachte es nicht fertig, das Wort Leiche zu benutzen, es klang einfach zu
brutal. »Ihn draußen auf dem Dock im Regen liegen zu lassen — « Sie wusste
nicht, wie sie ihren Satz beenden sollte.
Vincent wusste es. »Wär’ nich’ richtig.
Und auch nich’ sicher, wenn die Wellen noch höher werden. Wir haben ihn mit dem
Buggy geholt und in den alten Stall gebracht. Wir haben Planken auf Holzböcke
gelegt und ihn mit ‘ner Pferdedecke aus der Zeit zugedeckt, als wir das Pony
noch hatten. Die Decke is’ sauber«, fügte er wie zu seiner Verteidigung hinzu.
»Die Alternative wär’ die Speisekammer gewesen. Und Sie wollen doch wohl nich’,
dass er bei unsren Vorräten liegt, oder?«
Emma schauderte es. »Wohl kaum. Besteht
die Möglichkeit, dass man ihn heute noch abholt? Draußen sieht es ja ziemlich
schlimm aus.«
»Es wird noch schlimmer, bevor es
wieder besser wird«, erklärte Vincent. »Im Radio haben sie was von ‘nem
tropischen Sturm gesagt, der später die Küste hochziehen soll. Vielleicht is’
er verdammt viel schneller, als die angenommen haben. Wenn wir Glück haben, hat
er sich bis morgen früh ausgetobt. Ich hab’ j damit gerechnet, dass Lowell noch
vor Mittag hier eintrifft, aber er hat wohl genug zu tun mit all den
gekenterten Booten im Hafen. Er meint, unser Mann kann bis morgen früh warten.
Man kann ihm ja sowieso nich’ mehr helfen.«
Er trank seinen Kaffe aus und stellte
die Tasse auf das Regal hinter dem Ofen. »Für Mrs. Fath is’ gesorgt. Bubbles
hat sie unter seine Fittiche genommen. Er war schon bei ihr un’ hat ihr ‘ne
Tasse Tee und ‘ne Scheibe Toast gebracht. Jetzt will er ihr auch noch was
backen. Er is’ unten im Keller und holt Eier und Sahne.«
»Im Keller? Ich wusste gar nicht, dass
wir einen Keller haben«, sagte Emma.
»Is’ ja auch bloß ‘n ganz kleiner.
Unter der Speisekammer. Da unten bleibt alles schön kühl. Deshalb brauchen wir
auch nur einen Kühlschrank. Wolln Sie ihn mal sehen?«
»Vielleicht später«, erwiderte Emma.
»Hat Bubbles gesagt, wie sich Mrs. Fath fühlt?«
»So la-la, glaub’ ich. Sie hat ihren
Tee getrunken und bei sich behalten. Jedenfalls war er noch drin, als Bubbles
ging.«
»Das ist ein gutes Zeichen. Sind die Mädchen
schon von den Cottages zurück? Hoffentlich sind sie nicht zu nass geworden.«
»Das bisschen Regen halten die beiden
schon aus. Eigentlich müssten sie schon zurück sein. Wenn nich’, geh’ ich sie
holen. Ich hielt es nur für besser, sie rüberzuschicken, solange der Professor
und seine Leute noch draußen nach Pocapuks Schatz suchen. Ich will nich’, dass
die beiden noch in den Hütten sind, wenn die Gäste
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