Jodeln und Juwelen
und
höchstwahrscheinlich langweiligen Nachmittag vor. Sie hoffte inständig, dass
Everard Wont nicht wieder in eine seiner düsteren Stimmungen verfiel, weil
Alding Fath immer noch nicht in der Lage war, mit neuen Prophezeiungen
aufzuwarten. Was sie da über Schwarz und Weiß, Steine und Tod im Wasser gesagt
hatte, war wirklich ein klein wenig unheimlich, das musste selbst Emma zugeben.
Wie hatte Mrs. Fath all das voraussehen können?
Nun gut, ihre Tasche war schwarz, und
irgendwo gab es immer etwas Weißes, selbst wenn es bloß ein weißer Kieselstein
am Strand war oder ein weißer Mann mit einem schwarzen Bart. Mrs. Fath hätte
natürlich von der Tasche mit dem Schmuck gewusst, wenn sie vorgehabt hätte, sie
dem Mann persönlich zu übergeben. Und sie hätte von seinem Tod gewusst, wenn
sie geplant hätte, ihn mit seiner Beute bis zu den Klippen zu verfolgen und ihn
dann hinab zu stoßen. Vielleicht hatte Alding Fath gute Gründe, sich unwohl zu
fühlen.
Vielleicht sollte Emma Kelling endlich
damit aufhören, sich Horrorgeschichten auszumalen, und stattdessen Sherry
einschenken gehen, bevor Everard Wont alles allein herunterkippte.
Kapitel
13
Das spontane Picknick am Kaminfeuer war
äußerst angenehm. Emma legte zuerst als kleines Zugeständnis an Graf Radunov
einige Platten von Rachmaninow und Mussorgski auf und wechselte dann zu
Broadway-Melodien. Adelaide besaß eine erstaunlich große Sammlung, einige
Aufnahmen waren sogar ein halbes Jahrhundert alt. Wahrscheinlich auch wieder
Gastgeschenke für die Hausherrin, dachte Emma.
Viele der Shows waren zuerst in Boston
aufgeführt worden, bevor sie an den Broadway gegangen waren. Sie würde nie
vergessen, wie aufgeregt sie immer gewesen war, wenn sie mit dem Zug
hingefahren, in Back Bay ausgestiegen und für ein oder zwei Nächte im Copley
Plaza abgestiegen war. Der Hoteldirektor hatte sie immer persönlich begrüßt,
doch Emma bezweifelte, ob es dort heute noch einen Kellner gab, der Mrs.
Beddoes Kelling wiedererkennen würde.
Sie war tatsächlich dabei, sich in eine
trübselige Desdemona zu verwandeln! Emma stellte den Plattenspieler ab und
setzte sich ans Klavier. Ob es den Anwesenden passte oder nicht, sie würden
sich jetzt den Schwanengesang von Little Buttercup anhören müssen.
Emmas Stimme war längst nicht mehr so
gut wie früher, doch diesmal brauchte sie Gott sei Dank keinen großen Saal zu
füllen. Das Klavier war gestimmt, genau wie Adelaide es ihr versprochen hatte.
Der Regen, der auf das Haus trommelte, und der Wind, der um die Dachrinne
heulte, sorgten für eine dramatische Orchesteruntermalung. Mad Margarets erstes
Solo aus Ruddigore war für einen Tag wie diesen einfach ideal. »Es
jubliert die Lerche über der Wiege, froh pfeift der Bursch und schlägt nach der
Fliege.« Eigentlich klang sie gar nicht so schlecht, dachte Emma. »Warum? Wer
bin ich? ... Mad Margaret! Poor Peg!« Als Nächstes kam Buttercup, zum Teufel
mit den hohen Tönen.
Radunov stellte sich neben sie und sang
mit. Er kannte sämtliche Texte und die meisten Lieder, die Emma immer noch mit
Darrell Fancourt assoziierte. Die übrigen Gäste waren wieder zu ihrem
Kartenspiel zurückgekehrt, doch das war Emma gleichgültig. Eine Stunde lang
wirkte ihre musikalische Medizin gegen trübselige Gedanken wahre Wunder. Doch
dann fing ihr Hals an zu kratzen und ihre Finger wollten nicht mehr gehorchen.
Radunov brachte nur noch ein Krächzen zustande. Höchste Zeit für die beiden
alten Schwäne, zurück ans Ufer zu kriechen.
Die Kartenspieler waren von Poker auf
Bridge umgestiegen, ein Spiel, das Emma schon immer gehasst hatte. Eine Weile
saß sie mit Radunov am Cribbage-Brett, doch sie spürten beide die Folgen ihrer
Gesangseinlage, und der Sherry, das wärmende Feuer und das monotone Prasseln
des Regens taten das ihre dazu. Als der Graf halbherzig fragte, ob sie noch eine
Runde spielen wolle, schüttelte Emma den Kopf.
»Das einzige, was ich jetzt wirklich
tun möchte, ist ein kleines Nickerchen halten. Aber vorher sollte ich wohl
besser kurz nach Mrs. Fath schauen.«
»Das kann ich gern für Sie übernehmen.
Es ist ohnehin Zeit, dass ich mich in meine Hütte zurückziehe.«
»Aber dann müssten Sie wieder hierher
zurückkommen, um mir zu berichten, wie es ihr geht. Ich glaube, ich frage
Bubbles, ob er nicht gehen kann.«
»Sie sind eine überaus liebenswürdige
Frau, Mrs. Kelling.«
Nachdem er seiner Schmeichelpflicht
genüge getan hatte, holte Radunov sich
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