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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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und Blumen. Molly drückte sie sich ans Gesicht und rief sich ins Gedächtnis, dass man mit sauberer Kleidung allein ihr Vertrauen nicht erkaufen konnte.
    Aber es hilft , dachte sie, als sie das Nachthemd auszog und sich rasch ankleidete. Es hilft eindeutig.
    Joe hatte sie gekidnappt, aber er schien ihr nichts antun zu wollen, und immerhin hatte er ihr das Leben gerettet. Wenn er wirklich vorgehabt hätte, ihr etwas Böses zu tun, wäre sie gar nicht mehr aufgewacht, erst recht nicht in einem schönen warmen, bequemen Bett. Außerdem hatte er gesagt, er wolle ihr bei der Suche nach Felix helfen. Nun, da konnte sie ihn wenigstens anhören. Für eine Flucht war es noch nicht zu spät. Molly war sicher, dass sie selbst dann ein Fenster finden würde, das sie einschlagen konnte, wenn alle Türen abgeschlossen waren. Von dort konnte sie ins Wasser springen.
    Aber selbst wenn ihr die Flucht gelang   – sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie nach Felix suchen sollte.
    Joe war ihr jedenfalls einige Antworten schuldig. Doch wenn er ihr wirklich helfen konnte, musste sie um Felix’ willen noch bleiben.
    Unruhig trat sie wieder auf den Flur hinaus. Beim ersten Mal hatte sie es so eilig gehabt, dass ihr Einzelheiten entgangen waren, doch jetzt bemerkte sie, dass die Tapete vergilbt war und sich an den Stoßkanten umbog. Die Kerzen in den Wandleuchtern waren fast gänzlich heruntergebrannt. Wieder nahm sie den aufdringlichen Geruch nach Chemikalien wahr, stärker als je zuvor. Er schien sich an den Wänden festgesetzt zu haben. Molly atmete durch den Mund, damit der Gestank sie nicht mehr belästigte, doch so musste sie ihn schmecken, und das war fast noch schlimmer.
    Sie hielt vor der Tür gegenüber an und klopfte.
    Joe öffnete. Sie hörte seine schweren Schritte, ehe er die Türklinke drückte.
    »Viel besser«, sagte er. »Komm herein, ich stelle dich Mr.   Church vor.«
    Mister Church. Als Joe zum ersten Mal »Church« erwähnt hatte, ehe er sie von der Brücke entführte, hatte Molly angenommen, er rede von einer richtigen Kirche mit bunten Fenstern und einem Altar. Sie hatte schon befürchtet, Joe könne ein religiöser Spinner sein. Doch »Church« war offenbar ein Mann.
    Als Molly in das Zimmer trat, riss sie die Augen auf. Überall in dem hohen Raum standen Tische voller merkwürdiger Röhrchen und Apparaturen, und endlich wusste sie, woher dieser Gestank kam. Aus Brennern fauchten blaue Flammen, über denen Bechergläser und Kolben mitFlüssigkeiten leuchteten, sprudelten und rauchten. Mitten im Zimmer entließen Metallrohre Dampf aus einem leise ächzenden Generator. Der Dampf stieg empor und wurde von einem Mechanismus mit einem großen Ventilator aufgesaugt, der Rauch und Hitze offenbar in wieder andere Rohre leitete, die unter der Decke verliefen.

    Doch zwischen den Geräten, die offensichtlich der wissenschaftlichen Forschung dienten, fanden sich auch Dinge, die viel merkwürdiger waren als die Kuriositäten im Schlafzimmer auf der anderen Seite des Ganges. Molly sah Gläser mit eigenartigen Flüssigkeiten, in denen Teile von Wesen trieben, die wohl einst gelebt hatten. Auf einem Tisch lagen Knochensplitter und verschiedene bunte Pulver. In einem Holzkasten, der halb unter einem Tisch hervorschaute, stapelten sich vergilbte Pergamente. Die Regale quollen über vor Büchern, neue und uralte.
    Der einzige andere Mensch im Raum war ein erschreckend alter Mann, vermutlich Mr.   Church. Dünn und vogelhaft, die Haut runzlig und grau vom Alter, wirkte er dennoch bemerkenswert rüstig. Er trug eine dunkelgraue Hose und eine dazu passende Weste   – zwei Drittel eines dreiteiligen Anzugs   –, dazu ein reinweißes Hemd und eine rote Krawatte, die in der Weste festgesteckt war. Auf der beachtlichen Nase saß seine Brille. Er beugte sich über einen Tisch aus funkelndem Stahl. Dort lag ein Stück von einem der Gummianzüge, wie die Gas-Männer sie trugen. Der Stoff war aufgeschlitzt und ausgebreitet worden, doch Mr.   Churchs Aufmerksamkeit galt eindeutig dem merkwürdigen Arm, den Joe dem hünenhaften Gas-Mann abgerissen hatte.
    »Was zum Henker ist das?«, fragte Joe.
    Mr.   Church wölbte eine Augenbraue, begrüßte Molly mit einem flüchtigen Nicken und sah Joe an.
    »Das war der Arm eines Menschen   … oder eines Wesens, das einem Menschen sehr ähnelte«, erklärte Mr.   Church. »Aber seit kurzer Zeit geht eine Verwandlung mit ihm vor.«
    Gebannt kam Molly in den Raum und näherte sich dem

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