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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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Antworten.«
    Molly schaute zu Joe hinüber. Sie empfand die gleiche Ungeduld wie er. Neugierig nahm sie das dicke Buch vom Schreibtisch und legte es sich in den Schoß. Der Einband bestand aus Leder, das völlig glatt war bis auf eine Prägung mit den stilisierten Buchstaben S. C.
    Als Molly den Folianten aufschlug, hörte sie ein Surren und ein kurzatmiges Zischen. Sie hob den Kopf und erkannte, dass Mr.   Church die Geräusche beim Hinsetzen von sich gegeben hatte. Als der alte Mann ausatmete, drangen aus seiner Nase dünne Fahnen von einer Substanz, die Molly im ersten Moment für Rauch hielt. Dann aber zog er einen Tabaksbeutel aus der Tasche und begann seine Pfeife zu stopfen, und Molly begriff, dass er noch gar nicht geraucht hatte.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie, auch wenn sie sich lieber danach erkundigt hätte, was er war.
    Mr.   Church beugte sich vor und klopfte auf die erste Seite des aufgeschlagenen Buches. Molly sah auf die Seite und erkannte, dass es kein gewöhnliches Buch war, kein religiöses Werk oder antiker Romanwie bei den Bänden in Felix’ Bibliothek. Der schwere Ledereinband hielt viele vergilbte Blätter zusammen, Zeugen einer lange vergessenen Epoche. Alte Zeitschriften waren es, zusammengebunden, und die oberste war Beeton’s Christmas Annual. Als Molly das Datum las, zog sie die Stirn in tiefe Falten.
    »Zwanzigster Dezember achtzehnhundertsechsundneunzig«, las sie laut, dann sah sie zu dem alten Mann hoch. »Was soll das denn sein?«
    Mr.   Church paffte an seiner Pfeife. »Schlagen Sie bitte Seite siebzehn auf.«
    Molly tat wie verlangt. Eine Zeichnung auf der Seite ließ sie überrascht blinzeln und aufblicken. Die Illustration zeigte einen großen, dünnen Mann in Handschuhen und einem langen Mantel, der einen dünnen Schnauzbart trug und eine Pfeife rauchte, die der in Mr.   Churchs Hand glich. In der freien Hand hielt der Mann einen Revolver, als hoffte er, die Waffe würde unbemerkt bleiben. Das Bild gehörte, wie Molly rasch sah, zu einer Kurzgeschichte, verfasst von einem gewissen Dr. Nigel Hawthorne. Nachdem sie die ersten beiden Absätze überflogen hatte, wusste Molly, dass es sich um eine altmodische Detektivstory über einen Mann namens Simon Church handelte.

    »Also ahmen Sie diese Detektivfigur nach, diesen Simon Church?«, wollte sie wissen.
    Mr.   Church wies mit der Pfeife auf das Buch. »Das ist nur die erste Geschichte. Davon gab es Dutzende. Undmehrere Romane. Hawthorne hatte in der Kriegsmarine Ihrer Majestät als Schiffsarzt gedient, aber mit diesen Geschichten machte er sein Vermögen. Dennoch, wenn man sich um Hilfe an ihn wandte, zögerte er niemals, sich der Gefahr in den Weg zu stellen. Ein getreuer Freund. Ein wirklicher Held.«
    Molly schob sich eine zimtbraune Haarlocke hinter das Ohr und wartete ab, ob Mr.   Church nun zugab, dass alles ein merkwürdiger Scherz war. Doch wie es schien, meinte der runzlige alte Mann todernst, was er sagte.
    Molly machte ihrer Verärgerung Luft. »Ich bin kein kleines Mädchen mehr.«
    »Gott bewahre«, sagte Mr.   Church, runzelte die Stirn und blickte Joe an, der noch immer am Türrahmen lehnte. »Gott bewahre, Joe.«
    »Wie alt bist du?«, fragte Joe. »Dreizehn?«
    »Vierzehn«, entgegnete Molly schroff, ohne den Blick von Mr.   Church zu nehmen. »Und ich bin nicht blöd! Simon Church ist eine Figur aus Detektivgeschichten. Es hat ihn nicht gegeben. Und wenn es ihn gegeben hätte, müsste er jetzt wenigstens hundert Jahre alt sein. Wahrscheinlich älter. So alt sind Sie nicht.«
    Mr.   Church lehnte sich in seinem Sessel zurück und zog an der Pfeife. »Sind Sie sich da ganz sicher?«
    Er hustete, zuerst nur leicht, dann immer heftiger. Ein gedämpftes Knirschen drang aus seiner Brust. Rauch ringelte sich wie Dampf von seinen Lippen und Nasenlöchern, und Molly versicherte sich, dass dieser Rauch von seiner Pfeife stammte. Als der alte Mann endlich wieder zu Atem kam, entdeckte Molly Blutstropfen auf seinen Lippen und auf dem Schreibtisch. Sobald Mr.   Church es bemerkte, tupfte er sich den Mund mit einem Taschentuch ab. Doch auf dem gebügelten weißen Stoff waren keine roten, sondern schwarze Flecke. Schwarz wie Öl.
    Molly starrte auf die dunklen Tropfen auf der Schreibtischplatte. Einer war auf den Seiten des Buches gelandet, das aufgeschlagen in ihrem Schoß lag; nun lenkte er ihre Aufmerksamkeit wieder auf das alte Magazin. Die Simon-Church-Geschichte in diesem Weihnachts-Sonderheft hieß »Der Fall

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