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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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Stahltisch auf ein paar Schritte. Der Arm war zu klein, um menschlich zu sein, und die Gelenke saßen an den falschen Stellen. Er wirkte wachsartig und erinnerte Molly daran, wie das schlangenartige Wesen im Gummianzug davongeschlüpft war, nachdem Joe es besiegt hatte.

    »Woraus besteht es?«, fragte Joe.
    »Das lässt sich schwer sagen«, antwortete Mr.   Church. »Es sind menschliche Zellen darin, aber auch Zellen verschiedener Tierarten, darunter Katzen und Amphibien. Außerdem Dinge, die man nicht identifizieren kann. Die Natur hat nie ein Geschöpf hervorgebracht, dessen Gliedmaßen mit dieser Abscheulichkeit vereinbar wären.«
    Molly starrte das verdrehte Ding an, und ein Frösteln kroch ihr den Rücken hinauf. »Das stammt von dem Mann, der mich töten wollte?«
    In der kurzen Zeit, seit Molly ihn zum ersten Mal gesehen hatte, schien der Arm seine Form verändert zu haben und noch stärker geschrumpft zu sein.
    Mr.   Church lächelte Molly beinahe mitleidig an. »Meine liebe Miss McHugh«, sagte er und wies auf den Tisch, »ich fürchte, die Kreatur, der das dort gehört, ist die geringste Ihrer Sorgen.«
    Molly schaute weg. Sie wollte das schreckliche Ding nicht weiter ansehen.
    Mr.   Church beugte sich über den Tisch und betrachtete es genauer; vielleicht wollte er wissen, ob der Arm sich weiterhin veränderte. Erstals Joe sich räusperte, wandte der runzlige alte Mann ihr wieder seine Aufmerksamkeit zu.
    »Das Mädchen hat ’ne Menge Fragen, Mr.   Church«, sagte Joe.
    Church runzelte die Stirn und nickte. »Ja, selbstverständlich.« Er sprach mit unverkennbar britischem Akzent. Er ging an ein Waschbecken und wusch sich die Hände. »Es ist wohl an der Zeit, dass Sie ein paar Dinge erfahren.«
    »Das glaube ich auch«, erwiderte Molly. »Sie können damit anfangen, dass Sie mir sagen, wer Sie sind.«
    Mr.   Church lächelte, und in seinem runzligen Gesicht entstanden noch mehr Fältchen. »Wer ich bin, ist eine ziemlich lange Geschichte. Wollen wir in mein Studierzimmer gehen?«
    Molly zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie möchten.«
    »Dann kommen Sie«, sagte er und führte sie zu einer Tür am anderen Ende des Raumes. Er drehte den Messingknauf und drückte die Tür auf. »Es wird Zeit, dass wir vom Unmöglichen sprechen.«
    »Vom Unmöglichen   …«, begann Molly.
    »Und doch werden Sie es glauben müssen, wenn wir Ihrem Freund, Mr.   Orlov, helfen sollen.«
    Molly zögerte und holte tief Luft, doch als Mr.   Church durch die Tür ging, folgte sie ihm.

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Kapitel 6
    D ie erste Geschichte erschien in Beeton’s Christmas Annual «, verkündete Mr.   Church, während er Molly in sein Arbeitszimmer führte. Joe kam ihnen nach, ging aber nicht mit hinein. Stattdessen lehnte er sich an den Türrahmen und betrachtete mit verschränkten Armen, einen ungeduldigen Ausdruck im Gesicht, Molly und Mr.   Church.
    Mr.   Church winkte Molly zu einem Sessel vor dem Schreibtisch. Während sie sich setzte, betrachtete sie den alten Mann fasziniert. Mr.   Church ging an den verzierten, vom Boden bis zur Decke reichenden Bücherregalen vorüber und fuhr dabei mit den Fingern das glänzende Holz nach. Auf halbem Wege blieb er stehen und ließ die Hand auf einem hohen, dicken Band ruhen, den er dann aus dem Regal zog.
    »Natürlich wurden die Geschichten kurz nach der Jahrhundertwende, nachdem sie im The Strand erschienen waren, erheblich populärer«, sagte er und liebkoste den ausgebleichten Ledereinband, für einen Moment in Erinnerungen versunken.
    »Es tut mir leid«, sagte Molly, »aber ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
    Mr.   Church kam zum Schreibtisch und legte das riesige Buch auf die Platte. Als er dicht an Molly vorbeikam, hörte sie ein metallisches Klicken und ein eigenartiges Zischen wie von Luft, die aus einem Ballon entweicht. Und aus der Nähe offenbarte sich noch eine weitere eigentümliche Eigenschaft. Im Laboratorium   – wie sonst sollte sie den Raum nennen, den sie gerade verlassen hatten?   – hatten die Chemikaliendünste alle anderen Gerüche überdeckt. Hier im Studierzimmer allerdings, als Mr.   Church so nahe bei ihr stand, fiel Molly ein ganz eigenes, sonderbares Aroma an ihm auf: Er roch leicht nach verbranntem Diesel, wie ein Wassertaxi.
    Während er um den Schreibtisch ging, lächelte er sie an.
    »Nur zu«, sagte er und wählte aus einem Gestell hinter dem Schreibtisch eine lange glatte Pfeife aus. »Sehen Sie es sich an. Auf Sie warten viele

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