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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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diese Wesen Sie zu ihrem Amüsement. Vielleicht vernichten sie die ganze Welt.«
    Molly fühlte sich innerlich kalt und taub. Wieder einmal hatte Dr.   Cocteau sie auf ganzer Linie durchschaut.
    »Selbst wenn Sie durchkommen und überleben, gibt es vielleicht keine Heimat mehr, in die Sie zurückkehren könnten.«
    Dr. Cocteau lächelte nachsichtig, wie Erwachsene oft über die naive kindliche Unschuld lächelten. Als Molly es sah, wollte sie ihm Schmerzen zufügen.
    »Ich kehre nicht zurück«, sagte er. »Und vielleicht überlebe ich nicht sehr lange. Aber, ach, die Anblicke, die mich erwarten! Ich werde mich mit den alten Göttern auf eine Weise verständigen, wie es noch keinem Menschen vergönnt war. Ich werde den Quell ihrer Macht schauen und von ihrer Majestät durchdrungen werden. Ich allein werde den Menschen im nächsten Schritt der Entwicklung vertreten und den Weg zur Erhebung in die Göttlichkeit freimachen.«
    Molly starrte ihn an. »Göttlichkeit? Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein.«
    Cocteau zuckte zusammen und spitzte die Lippen, als hätte er auf etwas Saures gebissen. »Sie wollten Antworten, Mädchen. Wenn Ihnen lieber ist, dass wir beginnen   …«
    »Ich glaube, das Grundlegende habe ich begriffen«, erwiderte Molly. »Ich verstehe bloß nicht, wieso Sie Felix brauchen, wenn das Pentajulum ausreicht, damit diese Wesen auf einen aufmerksam werden.«
    Der Wahnsinnige fuhr sich mit den Fingern durch den buschigen weißen Bart, als wollte er ihn glatt streichen, doch er sträubte sich nur. Cocteau wurde sichtlich zorniger, und Molly machte einen Schritt von ihm weg. Sie fragte sich, ob er sie angreifen würde und ob sie fliehen musste.
    »Wie ich bereits sagte, benötige ich zwei Elemente«, erklärte er verschnupft. »Das war nur eines davon.«
    Er griff in seine Jackentasche   – die unbegrenzt Platz zu bieten schien und möglicherweise magischer Natur war   – und zog Lectors Pentajulum hervor. Seine merkwürdigen Farben und das wechselhafte Aussehen schienen das Licht im Raum zu schlucken und es mit einem stumpf-bunten Leuchten zurückzustrahlen. Dr. Cocteau musterte das Pentajulum und lächelte, als wollte er es streicheln oder die Wange daran legen, wie ein Kind es bei seinem Lieblingsstofftier tut.
    »Ich habe Jahre damit verbracht, sämtliche erhaltenen Schriften über das Pentajulum zu sammeln. Wenn es jemals einen Menschen gab, den man als Experten bezeichnen kann, was dieses Thema angeht, bin ich es. Ich glaube, es wird mich schützen, wenn ich die Dimensionsbarriere durchdringe, und es mir ermöglichen, mich mit den alten Göttern zu verständigen. Sie werden mich als gleichgestellt betrachten.«
    Er wies auf die Glaskugel, deren trübes Inneres dunkler denn je erschien.

    »Als meine Recherchen über das Pentajulum mich zur Geschichte von Orlovs Geburt führten, war ich mir sicher, dass ich das andere erforderliche Element gefunden hatte. Ich wusste, dass seine wahre Natur sich irgendwann offenbaren würde, dass das Verstreichen der Zeit und sein wiederholter Kontakt mit der ätherischen Ebene am Ende eine Transformation auslösen mussten. Hätte ich gewusst, dass seine Exposition gegenüber dem Pentajulum jedes Mal, wenn er das Grab seiner Mutter besuchte, um dort zu beten, seine Reifung verzögerte, hätte ich das schon vor Jahren unterbunden.«
    »Moment mal«, warf Molly ein. »Sie wussten, dass das Pentajulum auf dem Friedhof war?«
    Dr. Cocteau lächelte selbstgefällig. »Ich hatte bereits vor Jahren geschlussfolgert, dass es dort sein musste, sagte mir dann aber, dass es dort sicherer sei als in meinem Besitz. Schließlich hätte ein arroganter Narr wie Simon Church es mir entreißen können. Solange ich wusste, wo es war, konnte ich es immer holen, sobald Felix die Reife erreichte. Als meine Diener meldeten, dass Sie und Joe zum Friedhof aufbrachen, freute ich mich über den glückhaften zeitlichen Zusammenfall.«
    Molly starrte ihn wütend an. »Weil Sie meine Hilfe brauchen.«
    »In der Tat. Es ist so weit. Felix konnte sich nicht ewig gegen seine Metamorphose stemmen. Die Sterne standen heute Morgen richtig, und ich warf die Runen, um meine Auslegung zu bestätigen. Ich sandte meine Diener aus, um Ihren Vater zu holen, weil ich wusste, dass er am heutigen Tag seinen Aufstieg begann, und erneut erwies sich meine Vorhersage als zutreffend.«
    Molly dachte an die Séance mit den Mendehlsons. Sie hatte vermutet, dass bei Felix’ Kommunikation mit den Toten etwas

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