Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
treiben. Einer der Junkies brüllte und flennte und kotzte und brüllte dann wieder, bis Kurtz zu ihm ging und ihm mit einem gezielten Zweifinger-Druck auf dem Nerv, der entlang der Halsschlagader verlief, zu dringend notwendiger Entspannung verhalf. Keine der Wachen kam, um die Kotze wegzuwischen.
Es waren drei Weiße in der Zelle, einschließlich des jetzt bewusstlosen Junkies, und die Schwarzen zogen ihre übliche Reviernummer ab und musterten Kurtz mit finsteren Blicken. Er wusste genau, falls ihn einer von denen erkannte, würden sie auch von der Fatwah der D-Mosque wissen und es würde eine lange Nacht. Es gab nichts, was Kurtz als Waffe einsetzen konnte – keine Stahlfeder, Heftklammer oder Kugelschreibermine – überhaupt nichts mit einer Spitze. Er beschloss, einfach nur ein Frühwarnsystem einzurichten und zu versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.
Kurtz warf den zusammengesackten Junkie von einer der vier kleinen Pritschen und benutzte die Kante seiner Handfläche, um den anderen weißen Gefangenen zu überzeugen, ebenfalls auf dem Fußboden zu schlafen. Dann stapelte Kurtz die leblosen Gestalten wie einen Zaun etwa einen Meter um die Pritsche herum. Es würde die Schwarzen nicht viel Mühe kosten, diese provisorische Absperrung zu überwinden, aber es würde sie zumindest kurz aufhalten. Es ging Kurtz nicht darum, die afroamerikanischen Gefangenen zu diskriminieren. Sie waren einfach nur in der Überzahl und würden am ehesten von dem Kopfgeld gehört haben.
Kakerlaken wuselten über den Fußboden und labten sich an der Lache von Erbrochenem im Niemandsland, dann erforschten sie die Falten in den Kleidern des Junkies und krabbelten über den nackten Knöchel seines neben ihm liegenden Kumpanen.
Kurtz rollte sich auf der ungepolsterten Pritsche zusammen und verfiel in eine Art Halbschlaf, die Augen geschlossen, aber das Gesicht der Gruppe der anderen Männer zugewandt. Nach einer Weile verstummte ihr Gemurmel und die meisten saßen einfach nur da und dösten oder fluchten vor sich hin. Polizisten schleppten Nutten und Junkies an der Zelle vorbei in den nächsten Trakt. Offensichtlich hatte diese Pension noch kein ›Ausgebucht‹-Schild an die Tür gehängt.
Irgendwann gegen zwei Uhr morgens fuhr Kurtz hoch und riss in Angriffshaltung die Faust zurück. Es war aber nur ein uniformierter Polizist, der die Zellentür aufschloss.
»Joe Kurtz.«
Kurtz blieb wachsam und kehrte weder den anderen Gefangenen noch dem Beamten den Rücken zu. Das könnte Hathaway ausgeheckt haben – die untergeschobene Waffe war sicher noch nicht aus dem Spiel. Oder vielleicht hatte einer der Cops die Akte zu dem Fall durchgeblättert und ihn mit dem Kopfgeld der Death Mosque in Verbindung gebracht.
Der Uniformierte war fett und wirkte verschlafen. Wie alle anderen Cops im Trakt hatte er seine Waffe auf der anderen Seite des elektrischen Gitters zurückgelassen. Er hielt einen Schlagstock in der Hand und führte einen Behälter Reizgas am Gürtel mit sich. Videokameras begleiteten jeden ihrer Schritte aus der Zelle hinaus. Falls Hathaway oder sonst jemand hinter der Ecke des Korridors lauerte, konnte Kurtz nichts weiter tun, als dem fetten Bullen den Schlagstock abnehmen, ihn als menschliches Schutzschild bei einer möglichen Schießerei zu verwenden und sich so nahe wie möglich an die Angreifer heranarbeiten. Es war ein beschissener Plan, aber der beste, der ihm einfiel, solange er nicht an andere Waffen herankam.
Niemand wartete hinter der Ecke. Sie passierten die Schleusen und Gitter ohne besondere Vorkommnisse. Vorne gab ihm ein anderer verschlafener Sergeant seine Brieftasche, seine Schlüssel und das Kleingeld in einem braunen Umschlag zurück und brachte ihn zur Hintertreppe. Dort öffneten sie den Käfig und ließen ihn hinaus.
Eine schöne Brünette – vollbusig, langhaarig, mit makelloser Haut und verführerischen Augen – hockte auf einer langen Bank in der verdreckten Wartezone. Sie stand auf, als sie ihn kommen sah. Kurtz fragte sich beiläufig, wie jemand um zwei Uhr morgens so frisch und ausgeruht aussehen konnte.
»Mr. Kurtz, Sie sehen beschissen aus«, stellte die Dunkelhaarige nüchtern fest.
Kurtz nickte.
»Mr. Kurtz, mein Name ist ...«
»Sophia Farino. Little Skag hat mir ein Foto von Ihnen gezeigt.«
Der Anflug eines Lächelns. »Die Familie nennt ihn ›Stephen‹.«
»Jeder andere, der ihn kennt, nennt ihn ›Little Skag‹ oder einfach nur ›Skag‹«, erwiderte Kurtz.
Sophia Farino
Weitere Kostenlose Bücher