Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
Gesicht.
Kurtz’ Kopf rappelte und er spuckte Blut auf den Linoleumboden. Die gute Nachricht war, dass Hathaway den schweren Goldring an der linken Hand ausgezogen hatte, wahrscheinlich, um die Latexhandschuhe nicht zu beschädigen. Kurtz’ Wange zierte immer noch eine schwache Narbe vom Ohr bis zum Mundwinkel aus einer ähnlichen Plauderei mit Hathaway, die zwölf Jahre zurücklag.
»Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Lieutenant«, sagte Kurtz.
»Das heißt Detective «, betonte Hathaway.
Kurtz zuckte mit den Schultern, soweit seine stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit das zuließ. »Es sind mehr als elf Jahre vergangen«, erinnerte er und spuckte wieder Blut. »Ich hatte mir ausgerechnet, dass Sie in all der Zeit endlich mal die Prüfung zum Lieutenant bestanden haben müssten. Oder wenigstens die zum Sergeant.«
Hathaway trat vor und schlug Kurtz erneut ins Gesicht, diesmal mit geballter Faust.
Kurtz verlor einen Moment das Bewusstsein und kam wieder zu sich, als der jüngere Polizist sagte: »... um Himmels willen, Jimmy.«
»Halt den Mund«, brüllte Detective Hathaway. Er marschierte um den Tisch herum und sah auf seine Uhr. Kurtz schloss daraus, dass dem Detective bei diesem Verhör nur eine begrenzte Zeit für sein Privatvergnügen blieb. Das ist gut, dachte er. In seinen Ohren hörte er immer noch ein Klingeln.
»Wo warst du gestern Morgen, Kurtz?«, bellte Hathaway.
Kurtz schüttelte den Kopf. Das war ein Fehler. Der Raum schwankte und drehte sich um ihn. Nur die Handschellen hielten ihn aufrecht auf dem Stuhl.
»Ich sagte, wo warst du gestern?« Hathaway kam näher.
»Anwalt«, stöhnte Kurtz. Er hatte immer noch Blut im Mund, aber alle Zähne schienen noch fest im Kiefer zu sitzen.
»Was?«
»Ich will einen Anwalt.«
»Dein Anwalt ist tot, du Scheißhaufen. Dieser schwuchtelige Winkeladvokat von Murrell hatte vor vier Jahren einen Herzinfarkt.«
Kurtz wusste das. »Anwalt«, forderte er erneut.
Hathaways Antwort bestand darin, seine Glock Neun-Millimeter aus seinem Schulterholster und eine winzige .32 Smith & Wesson aus der Jackentasche zu ziehen. Er warf die 32er auf den Tisch vor Kurtz. Die klassische Falle, indem man dem Verdächtigen eine Waffe zuspielte.
»Jimmy, um Gottes willen!«, rief der andere, kleinere Cop. Kurtz konnte nicht sagen, ob es Teil ihrer üblichen Masche war oder der jüngere Mann wirklich beunruhigt war. Falls es sich nur um das gängige Guter Bulle, böser Bulle- Spielchen handelte, hätte der Junge einen Oscar verdient.
»Vielleicht haben wir dich nicht genau genug durchsucht, als du eingeliefert wurdest«, ätzte Hathaway und starrte Kurtz aus seinen blassblauen Augen an. Kurtz war schon immer der Meinung gewesen, dass Hathaway nicht alle Tassen im Schrank hatte. In den letzten zehn Jahren schien er noch viel weiter abgedreht zu sein.
Hathaway lud eine Patrone in die Kammer seiner Glock. »Wo warst du gestern Morgen, kleiner Joe?«
Kurtz fand das allmählich langweilig. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hatte er sich mit vielen anderen Sträflingen über das Oberste Gebot ›Töte niemals einen Bullen‹ unterhalten. Kurtz’ Einstellung, mit der er immer wieder aneckte, war ein schlichtes ›Wieso nicht?‹. Dabei hatte er häufig an Hathaway gedacht.
Kurtz wandte seinen Blick vom rot angelaufenen Gesicht des Bullen ab und versuchte, an etwas anderes zu denken.
»Du erbärmliches Arschloch«, fluchte Hathaway. Er steckte die Glock wieder in den Halfter, ließ die 32er mit einer kurzen Handbewegung verschwinden und schlug Kurtz mit einem Totschläger gegen das Schulterblatt. Er sah dem Modell, das Kurtz gegen Carl eingesetzt hatte, verdammt ähnlich. Sofort wurden seine Schulter und der komplette linke Arm taub, dann raste der Schmerz hindurch.
Der andere Polizist stöpselte das Mikrofon wieder ein und öffnete die Jalousie. Hathaway hatte sich die Latexhandschuhe abgestreift. Die untergeschobene Waffe und der Totschläger waren außer Sicht. Die Glock steckte im Holster.
Na, dachte Kurtz, das ist doch prima gelaufen.
»Joe Kurtz, Sie bestätigen, dass Sie über Ihre Rechte aufgeklärt worden sind?«, fragte Detective Hathaway.
Kurtz stöhnte. Vermutlich war das Schulterblatt nicht gebrochen, aber es würde Stunden dauern, bis er seinen linken Arm wieder benutzen konnte.
»Wo waren Sie gestern Vormittag zwischen 09:00 und 11:00 Uhr?«
»Ich will einen Anwalt«, sagte Kurtz und sprach so deutlich, wie es ihm möglich war.
»Ein Pflichtverteidiger
Weitere Kostenlose Bücher