Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
nickte. »Gehen wir?«
Kurtz blieb stehen, wo er war. »Soll das heißen, Sie haben die Kaution für mich bezahlt?«
Sie nickte.
»Warum Sie? Wenn der Klan das erledigt haben will, warum hat er dann nicht Miles, den Anwalt, geschickt? Und warum mitten in der Nacht? Warum haben Sie den Haftprüfungstermin nicht abgewartet?«
»Es hätte keinen Haftprüfungstermin gegeben. Man wollte Ihnen einen Verstoß gegen die Bewährungsauflagen – das Tragen einer Feuerwaffe – zur Last legen und Sie am Morgen ins Erie-County-Gefängnis verlegen.«
Kurtz rieb sich das Kinn und hörte das Schaben der Bartstoppeln. »Verstoß gegen die Bewährungsauflagen?«
Sophia lächelte und setzte sich in Bewegung. Kurtz folgte ihr durch das Treppenhaus in die Nacht hinaus. Er war sehr angespannt, jede Nervenfaser stand unter Hochspannung. Ohne es sich anmerken zu lassen, kontrollierte er jeden Schatten, reagierte auf jede kleinste Bewegung.
»Im Richardson-Mord gibt es jede Menge Spuren, aber keine von denen führt zu Ihnen. Sie haben bereits die DNS anhand des Spermas bestimmt, das an der Leiche gefunden wurde. Es ist nicht Ihres.«
»Woher wissen Sie das?«
Statt einer Antwort sagte sie: »Ein anonymer Anrufer hat der Polizei den Tipp gegeben, dass Sie sich gestern im Haus der Richardsons aufhielten. Wenn Ihnen jemand gesagt haben sollte, dass Ihr Name im Terminkalender stand, war das eine glatte Lüge. Sie hatte einen Termin mit einem Mr. Quotes eingetragen.«
»Die Lady konnte sich Namen nicht besonders gut merken«, verriet Kurtz.
Sophia führte ihn auf den kalten, aber taghell erleuchteten Parkplatz hinaus und öffnete mit ihrem Schlüsselbund einen schwarzen Porsche Boxster. »Spritztour gefällig?«
»Ich laufe lieber.«
»Das ist keine kluge Entscheidung«, entgegnete die Frau. »Ihnen ist doch klar, warum sich jemand diese Mühe gemacht hat, Sie ins Staatsgefängnis zu bekommen?«
Natürlich war Kurtz das klar. Oder zumindest dämmerte es ihm in diesem Moment. Ein Überfall während des Hofgangs. Ein Gefängnismord. Sein Glück, dass das nicht bereits während des Verhörs oder in der Zelle passiert war. Hathaway wusste mit ziemlicher Sicherheit von der Sache. Was hatte den Polizisten wohl davon abgehalten, es in letzter Konsequenz durchzuziehen? Die untergeschobene Waffe als Vorwand für Notwehr, ein gezielter Schuss aus der Glock, schon wäre er um zehn Riesen reicher gewesen. Sein jüngerer Partner? Kurtz würde es wahrscheinlich nie erfahren. Aber er glaubte fest daran, dass irgendwo weiter unten in der Hierarchie jemand den Job erledigt und Hathaway trotzdem seinen Anteil eingestrichen hätte.
»Sie steigen besser bei mir ein«, sagte Sophia.
»Woher weiß ich, dass Sie nicht die eigentliche Gefahr für mich sind?«
Don Farinos Tochter lachte. Es war ein herzhaftes, ungekünsteltes Lachen mit in den Nacken geworfenem Kopf, die vollkommen aufrichtige Belustigung einer erwachsenen Frau. »Sie schmeicheln mir«, erklärte sie. »Es gibt da etwas, worüber ich mit Ihnen reden möchte. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit dafür. Ich glaube, ich kann Ihnen helfen, herauszufinden, wer da versucht hat, Sie in eine tödliche Falle zu locken, und warum. Letzte Chance: Fahren Sie mit?«
Kurtz lief um den Wagen herum und stieg auf der Beifahrerseite in den tiefergelegten, hochgezüchteten Boxster.
KAPITEL 15
Kurtz hatte entweder mit einer kurzen Fahrt, einem Gespräch oder einem Abstecher zum Anwesen der Farinos in Orchard Park gerechnet. Aber Sophia steuerte stattdessen ihr Loft in der Altstadt von Buffalo an.
Er wusste, um in die Wartezone des Untersuchungsgefängnisses zu gelangen, hatte sie durch einen Metalldetektor gehen müssen. Damit war klar, dass sie keine Waffe in der Handtasche mit sich herumtrug, die sie auf den Boden vor dem Beifahrersitz warf. Also blieb noch die Mittelkonsole übrig. Und es wäre sicher ungemütlich für Kurtz geworden, wenn die Frau während der kurzen Fahrt das Fach darin geöffnet hätte, aber ihre Finger kamen nicht mal in dessen Nähe.
Ihr Loft befand sich in einem alten Lagerhaus, das komplett saniert worden war. Es verfügte jetzt über bodenhohe Fenster und stählerne Balkone, die in Richtung Stadt oder auf den Hafen hinausblickten, eine mit Gittertor abgesicherte Tiefgarage unter dem Gebäude und Wachen in der Lobby und vor dem Kellereingang. Fast so wie meine derzeitige Bleibe, dachte Kurtz mit einem Anflug von Ironie.
Sophia benutzte eine Schlüsselkarte, um in die
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