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Joe Kurtz 02 - Bitterkalt

Joe Kurtz 02 - Bitterkalt

Titel: Joe Kurtz 02 - Bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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eine Garantie, dass Kurtz – und jeder, der ihn begleitet – das Bahnhofsgebäude nicht lebend verlässt. Haben Sie Männer, die so gut sind, dass Sie mir diese Garantie geben können?«
    Emilio Gonzaga lächelte strahlend und fletschte dabei große Pferdezähne, die wie vergilbtes Elfenbein aussahen. »Mickey?«, fragte er.
    Mickey Key lächelte nicht. Aber er nickte.
    »Ich bin mir sicher, dass Kurtz weit vor Mitternacht dort sein wird«, sagte Hansen zu Mickey Kee. »Ich komme um acht mit zwei Männern. Es wird dunkel sein in dem alten Gemäuer. Passen Sie auf, dass Sie uns nicht mit Kurtz verwechseln. Haben Sie eine Möglichkeit, durch den Sturm dorthin zu gelangen?«
    Emilio Gonzaga nahm die Zigarre aus dem Mund und prustete ein verschleimtes Lachen in die Luft. »Mickey fährt einen gottverdammten Hummer-Geländewagen.«

Kapitel 32
    Der Nachmittag und der frühe Abend in den Marina Towers waren von einer seltsam süßen, fast schon elegischen Ruhe erfüllt.
    Pruno hatte Joe Kurtz das Wort »elegisch« im Rahmen ihres ausgiebigen Briefwechsels während seiner Zeit in Attica beigebracht. Bevor Kurtz den Gang hinter die schwedischen Gardinen antrat, ließ Pruno ihm eine Liste mit 200 Büchern zukommen, die er als Grundstock für eine umfassende Allgemeinbildung betrachtete. Kurtz las sie alle, angefangen bei der Ilias bis hin zum Kapital . Er musste zugeben, dass ihm Shakespeare am besten gefiel. Für jedes seiner Stücke hatte er sich mehrere Wochen Zeit gelassen, um die Lektüre richtig auszukosten. Kurtz befürchtete, dass der alte Bahnhof von Buffalo noch vor Ende dieser Nacht an die Szenerie im letzten Akt von Titus Andronicus erinnern würde.
    Nach dem Mittagessen hatte sich Frears in eine Ecke des Penthouses zurückgezogen, um seine Violine zu stimmen. Arlene bat ihn, etwas zu spielen. Frears lächelte nur und schüttelte den Kopf, doch Angelina schloss sich ihrer Bitte an. Dann stimmte – überraschenderweise – auch Marco in das Wunschkonzert ein. Selbst Kurtz war kurz aus seinen brütenden Gedanken vor dem Fenster aufgeschreckt.
    Alle hatten sich auf die Couch oder auf Barhocker gesetzt, dann trat John Wellington Frears in die Mitte des Raumes, zog ein Stofftaschentuch aus seiner Anzugjacke, platzierte es auf dem Kinnhalter der wertvollen Violine, stellte sich mit erhobenem Bogen fast auf die Zehenspitzen und fing an zu spielen.
    Zu Kurtz’ Überraschung war es nichts Klassisches. Frears stimmte die Titelmelodie von Schindlers Liste an, die langen, klagenden Passagen, deren Noten mit einem Seufzer zu ersterben schienen und von den kalten Glasfenstern widerhallten wie die unvollendeten Schreie der Kinder in den Deportationszügen nach Auschwitz. Als er endete, applaudierte niemand, bewegte sich niemand. Die einzige Geräuschkulisse steuerten der Schnee, der gegen die Fenster schlug, und Arlenes leises Schniefen bei.
    Frears nahm Hansens Kästchen mit den Fotos an sich und verschwand damit in der Bibliothek. Angelina goss sich einen großen Scotch ein. Kurtz machte es sich wieder am Fenster bequem, um den Sturm und die zunehmende Dunkelheit zu beobachten.
    Er traf sich mit Angelina in ihrem privaten Arbeitszimmer in der nordwestlichen Ecke des Penthouses.
    »Was wird heute Nacht geschehen, Kurtz?«
    Er hob eine Hand. »Ich habe Hansen eine Erpressungsforderung gestellt. Wir treffen uns um Mitternacht. Ich vermute, er wird bereits früher da sein.«
    »Werden Sie das Geld annehmen, wenn er es dabeihat?«
    »Er wird kein Geld dabeihaben.«
    »Also werden Sie ihn töten.«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    Angelina zog eine dunkle Augenbraue hoch. Kurtz ging zu ihr und setzte sich auf die Ecke ihres modernen Schreibtisches aus poliertem Rosenholz. »Ich frage noch einmal: Was sind Ihre Ziele? Was versprechen Sie sich von diesem ganzen Mist?«
    Sie musterte ihn einen Moment lang. »Sie wissen, was ich will.«
    »Gonzagas Tod«, erkannte Kurtz. »Die ... Neutralisierung Ihres Bruders. Aber was noch?«
    »Ich würde gerne irgendwann die Familie neu aufbauen, aber unter anderen Vorzeichen. In der Zwischenzeit wäre ich gern die beste Diebin im Bundesstaat New York.«
    »Und für beides ist es wichtig, dass man Sie in Ruhe lässt.«
    »Richtig.«
    »Wenn ich Ihnen helfe, Ihre Ziele zu verwirklichen, werden Sie mich dann in Ruhe lassen?«
    Angelina Farino Ferrara zögerte kaum eine Sekunde. »Ja.«
    »Haben Sie die Liste ausgedruckt, um die ich Sie bat?«, fragte Kurtz.
    Als Antwort zog Angelina eine Schublade

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