Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
es ihr heute schon etwas besser geht. Sie halten sie die meiste Zeit unter Beruhigungsmitteln und passen auf, dass ihre verbliebene Niere keine Infektion einfängt. Selbst wenn sich ihr Zustand deutlich verbessert, wird es noch einige Wochen – vielleicht anderthalb Monate – dauern, bis sie das Krankenhaus wieder verlassen kann. Und sie wird zu Hause eine besondere Betreuung benötigen.«
Kurtz sah zu ihr hinüber. »Ja? Und?«
»Ich weiß, dass du es nicht zulassen wirst, dass Rachel in ein Heim kommt, Joe.«
Er musste nichts sagen, um seine Zustimmung zu signalisieren.
»Und ich weiß, dass du immer schnurstracks auf das Ziel zusteuerst. So wie jetzt bei dieser Hansen-Sache. Aber vielleicht solltest du in diesem Fall überlegen, einen Umweg in Kauf zu nehmen.«
»Wie meinst du das?« Winzige Eiskristalle stachen in sein Gesicht.
»Ich wäre kein guter Vormund für Rachel ... Ich habe mein Kind gehabt, ich habe es so gut aufgezogen, wie ich konnte, habe seinen Tod betrauert. Aber Gail hat sich immer ein Kind gewünscht. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb sie und Charlie sich getrennt haben ... das und die Tatsache, dass Charlie ein totales Arschloch war.«
»Gail ... soll Rachel adoptieren?« Kurtz’ Stimme klang angespannt.
»Es muss keine richtige Adoption sein«, beschwichtigte Arlene. »Rachel ist 14. Sie braucht lediglich einen vom Gericht bestätigten Vormund, bis sie volljährig ist. Das wäre perfekt für Gail.«
»Gail ist Single.«
»Das spielt für eine Vormundschaft keine Rolle. Außerdem hat Gail Freunde beim Sozialamt und in der Adoptionsvermittlung und kennt ein paar Leute beim Jugendamt. Sie ist eine hervorragende Krankenschwester – ihr Spezialgebiet ist, wie du weißt, Kinderchirurgie –, und sie hat noch jede Menge Urlaub und Überstunden abzufeiern.«
Kurtz beobachtete, wie der Sturm draußen näher kam.
»Du könntest Zeit mit ihr verbringen, Joe. Mit Rachel. Sie besser kennenlernen. Und sie kann dich kennenlernen. Eines Tages verrätst du ihr dann ...«
Kurtz sah sie an. Arlene schwieg, nahm einen Zug von ihrer Zigarette und blickte auf, um seinem Blick zu begegnen. »Sag wenigstens, dass du darüber nachdenken wirst, Joe.«
Er ging durch die Schiebetür zurück ins Penthouse.
Hansen überquerte die Brücke nach Grand Island und näherte sich dem Anwesen Emilio Gonzagas. Die Wachleute im Torhaus warfen ihm einen erstaunten Blick zu, als er seine Dienstmarke vorzeigte und verkündete, dass er Mr. Gonzaga zu sprechen wünschte, aber dann kontaktierten sie über Funk das Hauptgebäude, filzten ihn gründlich, um sicherzugehen, dass er keine versteckten Mikrofone dabei hatte, und bewunderten seine Glock-9-Dienstpistole – die 38er hatte Hansen unter dem Beifahrersitz versteckt. Danach ließen sie ihn in einen schwarzen Chevy Suburban einsteigen und fuhren mit ihm zum Hauptgebäude, wo er erneut sorgfältig durchsucht wurde und in einer riesigen Bibliothek warten musste, in der die langen Reihen ledergebundener Bücher den Eindruck erweckten, als hätte sie noch nie jemand aufgeschlagen. Zwei Leibwächter, einer davon ein Asiate ohne jeden Ausdruck auf dem glatten Gesicht, standen mit den Händen an den Seiten vor der gegenüberliegenden Wand.
Als Gonzaga mit einer kubanischen Zigarre im Mund hereinkam, fiel Hansen auf, wie hässlich der nicht mehr ganz junge Don war. Der Mann sah aus wie eine Kröte, die man in menschliche Form gegossen hatte. Dazu gesellte sich ein Edward-G.-Robinson-Mund, der nicht so aussah, als hätte er sich in seinem Leben jemals zu einem Lächeln verzogen.
»Captain Millworth.«
»Mr. Gonzaga.«
Sie gaben sich nicht die Hand. Gonzaga blieb stehen, Hansen blieb sitzen. Sie musterten sich schweigend.
»Was wollen Sie, Detective?«
»Ich muss mit Ihnen reden, Don Gonzaga.«
Der große, hässliche Mann machte eine unbestimmte Geste mit seiner Zigarre.
»Sie haben meinen Vorgänger bezahlt«, sagte Hansen. »Sie haben mir im letzten Dezember einen Scheck geschickt. Ich habe ihn einer Wohltätigkeitsorganisation gespendet. Ich brauche Ihr Geld nicht.«
Gonzaga zog eine schwere schwarze Augenbraue hoch. »Sie sind durch diesen gottverdammten Schneesturm gefahren, um mir das zu sagen?«
»Ich bin durch diesen Schneesturm gefahren, um Ihnen zu sagen, dass ich etwas viel Wichtigeres brauche und dass ich Ihnen etwas viel Wichtigeres geben kann.«
Gonzaga wartete ruhig ab. Hansen warf einen Blick auf die Leibwächter. Gonzaga verstand, schickte sie
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