Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
Hansen gemeldet. Es gibt keinen Hansen oder sonst jemanden, auf den seine Beschreibung passt, im Kollegium einer der hiesigen Universitäten. Keine Psychologen unter diesem Namen in Buffalo. Und der Fall meiner Tochter wurde offiziell zu den Akten gelegt. Sie konnten nichts für mich tun.«
»Und was soll ich für Sie tun?«, fragte Kurtz mit leiser Stimme.
»Nun, ich möchte, dass Sie ihn ...«
»Töten«, sagte Kurtz.
John Wellington Frears blinzelte und riss den Kopf zurück, als wäre er geschlagen worden. »Töten? Großer Gott, nein. Warum sagen Sie so etwas, Mr. Kurtz?«
»Er hat Ihre Tochter vergewaltigt und ermordet. Sie sind Profimusiker und offensichtlich recht wohlhabend. Sie könnten es sich leisten, jeden renommierten Privatdetektiv zu beauftragen – Sie könnten eine ganze Agentur anheuern, wenn Sie wollten. Warum sollten Sie ausgerechnet zu mir kommen? Doch nur, wenn Sie sich wünschen, dass der Mann stirbt.«
Frears öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Nein, Mr. Kurtz, Sie verstehen mich falsch. Dr. Frederick ist der einzige Mensch, den ich in Buffalo gut kenne – offensichtlich macht er harte Zeiten durch, doch sein Scharfsinn hat unter den traurigen Umständen nicht gelitten –, und er hat Sie mir wärmstens als Ermittler empfohlen, der Hansen für mich aufspüren kann. Und Sie haben recht, was meinen finanziellen Status angeht. Ich werde Sie großzügig entschädigen, Mr. Kurtz. Sehr großzügig sogar.«
»Und wenn ich ihn finde? Was würden Sie dann tun, Mr. Frears?«
»Natürlich die Polizei verständigen. Ich wohne im Sheraton am Flughafen, bis dieser Albtraum vorbei ist.«
Kurtz trank den Rest seines Biers. Coe stimmte eine bluesige Version von »Summertime« an.
»Mr. Frears«, sagte Kurtz, »Sie sind ein sehr zivilisierter Mann.«
Frears rückte seine Brille zurecht. »Also übernehmen Sie den Fall, Mr. Kurtz?«
»Nein.«
Frears blinzelte wieder. »Nein?«
»Nein.«
Frears saß eine Weile schweigend da, dann stand er auf. »Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, Mr. Kurtz. Entschuldigen Sie, dass ich Sie behelligt habe.«
Frears wandte sich zum Gehen und hatte schon ein paar Schritte hinter sich, als Kurtz seinen Namen rief. Der Mann blieb stehen und drehte sich um, auf seinem traurigen, gequälten Gesicht zeichnete sich so etwas wie Hoffnung ab. »Ja, Mr. Kurtz?«
»Sie haben Ihr Foto vergessen«, erklärte Kurtz. Er hielt das Bild des toten Mädchens hoch.
»Behalten Sie es, Mr. Kurtz. Crystal lebt nicht mehr, und meine Frau hat mich drei Jahre nach Crystals Tod verlassen, aber ich besitze viele Fotos. Nehmen Sie es ruhig, Mr. Kurtz.« Frears durchquerte das Lokal und ging zur Tür des Blue Franklin hinaus.
Ruby, die Enkelin von Big Daddy Bruce, kam an Kurtz’ Tisch. »Daddy sagt, ich soll Ihnen sagen, dass die beiden Cops, die an der Straße geparkt haben, weg sind.«
»Danke, Ruby.«
»Noch ein Bier, Joe?«
»Scotch.«
»Eine bestimmte Sorte?«
»Die Billigste«, bat Kurtz. Als Ruby zur Theke zurückging, nahm Kurtz das Foto, zerriss es in kleine Fetzen und ließ sie in den Aschenbecher fallen.
Kapitel 5
Angelina Farino Ferrara verließ jeden Morgen um sechs Uhr das Haus zum Joggen, auch wenn das in dieser Zeit des Jahres in Buffalo bedeutete, dass sie im Dunkeln joggen musste. Der größte Teil ihrer Laufstrecke wurde von Straßenlaternen erhellt, aber für die dunklen Abschnitte am Fluss trug sie eine Stirnlampe, die von einem elastischen Band gehalten wurde. Es sah nicht allzu elegant aus, vermutete Angelina, aber sie scherte sich einen Scheißdreck darum, wie sie aussah, wenn sie joggte.
Nachdem sie im Dezember aus Sizilien zurückgekehrt war, hatte Angelina das alte Farino-Anwesen in Orchard Park verkauft und war mit dem, was von der Organisation übrig geblieben war, in ein Penthouse mit traumhaftem Blick auf Buffalos Jachthafen gezogen. Die breiten Bänder der Schnellstraßen und die weitläufigen Parks trennten den Hafen von der Stadt, doch nachts konnte sie im Osten und Norden die magere Skyline sehen, die Buffalo anzubieten hatte, während der Fluss und der See ihre östliche Flanke schützten.
Seit sie das Gebäude gekauft hatte, bestand der Blick nach Westen hauptsächlich aus Eis und den grauen Wolken über dem Fluss, aber man konnte auch einen flüchtigen Blick auf Kanada erhaschen, das Gelobte Land ihres Großvaters während der Prohibition und die älteste Quelle der Familieneinkünfte. Tag für Tag starrte Angelina Farino Ferrara auf die
Weitere Kostenlose Bücher