Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
vorsichtig.
»Was wollen Sie tun?«, fragte Kurtz. »Jemanden auf mich ansetzen?«
Angelina war diesem Mann nie begegnet, aber sie wusste genug über seine Vergangenheit, um keine Spielchen zu versuchen. »Das war Stevies Auftrag«, antwortete sie. »Ich war nur die Botin.«
»Warum die Stooges?«, wollte Kurtz wissen.
Angelina war überrascht über die Frage, aber nur eine Sekunde lang. »Betrachten Sie es als Eignungsprüfung.« Sie überlegte kurz, ihre Hände runterzunehmen, sah Kurtz in die Augen und ließ sie, wo sie waren.
»Eine Prüfung wofür?«, fragte Kurtz.
Weiterreden, dachte Angelina. Noch zwei oder drei Minuten und die Boys würden nach ihr suchen, weil sie nicht an der gewohnten Stelle auftauchte. Wirklich? Es ist kalt heute. Im Lincoln ist es warm. Vielleicht vier Minuten. Sie musste sich zwingen, nicht auf ihre Digitaluhr zu sehen. »Ich dachte, Sie könnten vielleicht nützlich für uns sein«, sagte sie. »Nützlich für mich. Stevie hat Ihren Tod angeordnet, aber ich habe die Idioten ausgesucht, um zu testen, was Sie taugen.«
»Warum will Little Skag mich umbringen lassen?«, erkundigte sich Kurtz ruhig. Angelina erkannte, dass der Mann sehr kräftig sein musste, denn die Kaliber-40-Pistole, mit der er auf sie zielte, war alles andere als ein Leichtgewicht, doch sein ausgestreckter Arm zitterte nicht im Geringsten.
»Stevie glaubt, dass Sie etwas mit dem Tod meines Vaters und meiner Schwester zu tun haben«, erwiderte sie.
»Nein, glaubt er nicht.« Kurtz’ Stimme blieb absolut gefasst.
Sie wusste, wenn sie weiter mit ihm diskutierte, konnte sie noch mehr Zeit gewinnen – oder noch schneller einen Schuss ins Herz verpasst bekommen –, deshalb entschied sie sich für die Wahrheit. »Er glaubt, dass Sie gefährlich sind, Kurtz. Sie wissen zu viel.« Zum Beispiel, dass er Sie beauftragt hat, den Dänen zu beauftragen, Sophia und Paps zu töten, dachte sie, sagte es aber nicht laut.
»Und was denken Sie?«
»Hören Sie, meine Arme werden lahm. Kann ich ...«
»Nein«, sagte Kurtz. Die Mündung seiner Pistole schwankte immer noch nicht.
»Ich brauche ein Druckmittel, wenn Stevie rauskommt«, erklärte sie und wunderte sich selber, dass sie diesem Ex-Knacki Dinge erzählte, die sie sonst niemandem auf der Welt erzählen würde. »Ich dachte, Sie könnten für mich von Nutzen sein.«
»Wie?«
»Indem Sie Emilio Gonzaga und seine Topleute töten.«
»Warum zur Hölle sollte ich das tun?«, fragte Kurtz. Seine Stimme klang nicht einmal neugierig, nur leicht verwirrt.
Sie atmete tief ein. Jetzt hieß es alles oder nichts. So hatte sie es nicht geplant. Eigentlich wollte sie Kurtz in einigen Wochen auf Knien vor sich haben, die Hände mit Klebeband hinter dem Rücken gefesselt, vielleicht mit ein paar fehlenden Zähnen, wenn sie zu diesem Teil des Plans vorstieß. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als vorzupreschen und sein Gesicht, seine Augen, die Muskeln um seinen Mund und seinen Schluckreflex zu beobachten – die Teile eines Menschen, die nicht nicht reagieren konnten.
»Emilio Gonzaga hat vor zwölf Jahren den Befehl gegeben, Ihre kleine Freundin Samantha zu töten«, ließ sie die Bombe platzen.
Kurzzeitig fühlte sich Angelina wie ein Duellant, dessen einziger Schuss danebengegangen war. Nichts an Joe Kurtz’ hartem Gesichtsausdruck änderte sich auch nur im Geringsten – absolut gar nichts. In seine Augen zu schauen war so ähnlich, als betrachtete man das Hieronymus-Bosch-Gemälde eines mittelalterlichen Henkers – falls so ein Gemälde existiert hätte, was, wie sie wusste, nicht der Fall war. Einen wilden Augenblick lang dachte sie daran, sich auf den Boden zu werfen, sich abzurollen und die .45 Compact Witness zu ziehen, aber der unerschütterliche schwarze Pistolenlauf vor ihr löschte diesen Gedanken gleich wieder aus.
Eine Minute noch und die Boys werden ... Sie wusste, dass ihr keine Minute mehr blieb. Angelina Farino Ferrara neigte nicht zur Selbsttäuschung.
»Nein«, sagte Kurtz schließlich.
»Doch«, sagte Angelina. »Ich weiß, dass Sie vor zwölf Jahren mit Eddie Falco und Manny Levine aufgeräumt haben, aber die standen zu dieser Zeit auf Gonzagas Gehaltsliste. Er gab den Befehl.«
»Das hätte ich gewusst.«
»Niemand wusste es.«
»Falco und Levine waren armselige kleine Drogenschieber«, sagte Kurtz. »Sie waren zu dumm, um ...« Er brach ab, als wäre ihm etwas eingefallen.
»Genau«, bestätigte Angelina. »Das Mädchen. Der vermisste
Weitere Kostenlose Bücher