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Joe Kurtz 02 - Bitterkalt

Joe Kurtz 02 - Bitterkalt

Titel: Joe Kurtz 02 - Bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dem Kopfhörer dem Treiben im Haus.
    »Diese Göre – wie heißt sie noch, Melissa? –, hast du sie dieses Wochenende heimlich eingeladen, während ich weg war?« Raffertys Stimme klang verwaschen und müde.
    »Nein, Dad.«
    »Lügst du mich etwa an?«
    »Nein.« Kurtz konnte die Beunruhigung in Rachels Stimme hören.
    »Was ist mit Jungs?«
    »Jungs?«
    »Welche Jungs waren hier im Haus, verdammt noch mal?«
    Kurtz wusste aus den abgehörten Telefonaten, dass Rachel sich nichts aus ihren männlichen Klassenkameraden machte, abgesehen von Clarence Kleigman, der mit ihr zusammen im Schulorchester spielte. Sie würde niemals einen Jungen ins Haus einladen.
    »Welche Jungs waren hier bei dir? Sag mir die gottverdammte Wahrheit oder ich hol den Stock!«
    »Keine Jungs, Dad.« Rachels Stimme zitterte leicht. »Wie war deine Geschäftsreise?«
    »Jetzt lenk nicht ab!« Rafferty klang ziemlich betrunken.
    Eine Minute lang undeutliche Geräusche und Zischlaute. Dem Rumpeln in der Küche nach zu urteilen, machte sich Rafferty auf die Suche nach einer seiner Flaschen.
    »Ich muss noch Hausaufgaben machen«, erklärte Rachel. Kurtz wusste, dass sie das bereits am Samstag erledigt hatte. »Ich gehe rauf in mein Zimmer.« Über die Wanze im Treppenhaus konnte Kurtz hören, wie sie Tür hinter sich abschloss, während Rafferty nach oben stapfte und seine Kleidung im Badezimmer auf dem Kachelboden verstreute.
    Es schneite heftig. Kurtz ließ zu, dass die Flocken die komplette Windschutzscheibe bedeckten, während er den Geräuschen im Kopfhörer lauschte.
    Es war keine sonderlich verheißungsvolle Woche gewesen. Kurtz hielt generell nicht viel von Regeln und Prinzipien. Feinde nicht am Leben zu lassen, kam einer unumstößlichen Regel allerdings schon ziemlich nahe. In dieser Woche hatte er gleich zwei Leute verschont, die ihm Schaden zufügen wollten – Big Bore Redhawk und den Sterbenden, Johnny Norse. In beiden Fällen stand der Aufwand, sie zu beseitigen, allerdings in keinem Verhältnis zum Ergebnis: Big Bore hatte mehr Grund, im Krankenhaus die Klappe zu halten, als Kurtz zu verpfeifen, und Johnny Norse wusste weder, wer Kurtz und Angelina waren, noch was Kurtz mit Gonzaga zu schaffen hatte.
    Kurtz erinnerte sich noch gut daran, mit welcher fast schon obszönen Inbrunst sich Norse an den letzten verbleibenden Rest seines Lebens klammerte, und war sich ausgesprochen sicher, dass der todkranke Mann Gonzaga nicht über den Besuch informieren würde. Doch Kurtz war die Dinge schon immer nach dem Motto »Warum den Einsatz riskieren, wenn man auch das Rennen manipulieren kann?« angegangen. In diesen Fällen wäre es jedoch ungleich riskanter gewesen, sich um das Verschwinden der Leichen zu kümmern, als an den Quoten herumzuschrauben.
    Trotzdem hielt Joe es für eine schlechte Angewohnheit, lose Enden zurückzulassen, und im Moment konnte sich Kurtz keine schlechten Angewohnheiten leisten. Er wusste, dass seine größte Stärke in den letzten zwölf Jahren – neben seiner Geduld – seine Überlebensfähigkeit gewesen war. Abgesehen von eher banalen Tricks, die man kennen musste, um länger als ein Jahrzehnt in einem Hochsicherheitsgefängnis zu verbringen, ohne vergewaltigt oder abgestochen zu werden, hatte Kurtz zudem eine Fatwa der D-Block-Mosque überlebt.
    Die Jungs waren regelrecht besessen von der Idee, er hätte ein Jahr vor seiner Entlassung eines ihrer Mitglieder, einen Farbigen namens Ali, getötet. Als Kurtz im letzten Herbst nach Buffalo zurückgekehrt war, hatte er sich die Feindschaft einer weiteren schwarzen Gang im Seneca Street Social Club zugezogen, die tatsächlich glaubte, er habe ihren Anführer, einen psychopathischen Dealer namens Malcolm Kibunte, in die Niagarafälle geworfen.
    Die Cops, die ihn beschatteten – Brubaker und Myers – verdächtigten ihn außerdem, einen korrupten Detective der Mordkommission namens Hathaway auf dem Gewissen zu haben, obwohl es dafür absolut keine Beweise gab. Kurtz wusste, dass Little Skag sein Möglichstes tat, um Brubakers Verdacht von Attica aus zusätzlich anzuheizen. Seine Dankbarkeit dafür, dass Kurtz ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch vor Ali gerettet hatte, brachte er auf eher uncharmante Weise durch die drittklassigen Auftragskiller zum Ausdruck, die er ihm auf den Hals hetzte.
    Kurtz bezweifelte stark, dass Brubaker und Myers tatsächlich versuchen würden, ihn zu töten, aber es reichte schon, wenn sie ihn filzten, während er eine Waffe bei sich

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