Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
spiralförmig auf. »Aber ich bin mehr daran interessiert, endlich ein neues Büro zu finden. Hast du heute Zeit?«
»Mal sehen.« Kurtz blickte auf den Stapel Akten und die leeren Expresspäckchen.
»Ich habe sie vor einer Stunde bekommen«, erklärte Arlene. »Die Hansen-Akte vom Frears-Mord in Chicago, die Geschichte aus Atlanta und die Unterlagen aus Houston, Jacksonville, Albany und Columbus, Ohio. Die anderen vier sind noch unterwegs.«
»Hast du sie gelesen?«
»Nur durchgeblättert.«
»Etwas gefunden?«
»Ja«, sagte Arlene. Sie streifte die Asche ab. »Ich wette, wir sind die Ersten, die jemals diese ganzen Familienmorde in Zusammenhang betrachten. Oder auch nur zwei davon.«
Kurtz zuckte mit den Schultern. »Sicher. Die örtliche Polizei geht jeweils davon aus, es mit dem Familiendrama eines Psychopathen zu tun zu haben – die Leiche des Mörders liegt sogar abholbereit im verbrannten Haus. Damit ist der Fall abgeschlossen und es gibt keinen Anlass, ihn weiterzuverfolgen oder Parallelen zu ähnlichen Fällen zu ziehen.«
Arlene lächelte. Kurtz hängte seinen Mantel auf, rückte die .40 S&W in seinem Gürtel zurecht und setzte sich, um die Akten zu studieren.
Fünf Minuten später kannte er den Grund für Arlenes Lächeln.
»Der Zahnarzt«, erklärte er.
Arlene nickte.
In jedem der Fälle konnte der verbrannte Körper des Täters im Anschluss anhand von Tätowierungen, Schmuck oder dank einer alte Narbe identifiziert werden. Die endgültige Bestätigung lieferten aber jeweils die zahnmedizinischen Unterlagen. Gleich dreimal – bei Frears/Hansen in Chicago, Murchison/Cable in Atlanta und Whittaker/Sessions in Albany – tauchte derselbe Zahnarzt aus Cleveland auf.
»Howard K. Conway«, las Kurtz den Namen des Mediziners ab.
Arlenes Augen leuchteten. »Hast du dir die Unterschriften bei den anderen Fällen angesehen?«
Kurtz nickte. Verschiedene Namen. Aber alle aus Cleveland. Und die Handschrift zum Verwechseln ähnlich. »Vielleicht hat sich unser Dr. Conway auf Psychopathen im ganzen Land spezialisiert. Möglicherweise war er auch der Zahnarzt von diesem Massenmörder in den 70ern, diesem Ted Bundy.«
»Mmmh.« Arlene drückte ihre Zigarette aus und kam zu Kurtz’ Schreibtisch herüber. »Was ist mit den anderen Identifizierungsmerkmalen? Der Tätowierung im Fall Hansen? Der Narbe beim Whittaker-Mord?«
»Ich schätze, dass sich Hansen immer zuerst einen Ersatzmann sucht, der am Brandort in seine Rolle schlüpft – irgendeinen Obdachlosen oder Stricher oder was auch immer. Er tötet ihn, präpariert die Leiche und staffiert sich dann selber entsprechend aus. Wenn der Mann eine Tätowierung hat, legt er sich ebenfalls ein Pseudo-Tattoo zu. Kein Problem. Es ist ja nur für ein paar Monate.«
»Mein Gott.«
»Ich brauche die aktuelle ...«, begann Kurtz.
Sie reichte ihm eine Karteikarte mit Dr. Howard K. Conways Büroadresse. »Ich habe heute Morgen angerufen und versucht, einen Termin zu bekommen, aber Dr. Conway ist bereits halb im Ruhestand und nimmt keine neuen Patienten mehr an. Ein jüngerer Mann hat das Gespräch angenommen und mich sofort abgewimmelt. Ich habe Eintragungen zu Dr. Conway gefunden, die bis Anfang der 50er-Jahre zurückreichen. Der Kerl muss steinalt sein.«
Kurtz betrachtete die Fotos der ermordeten Mädchen. »Warum hat Hansen Conway all diese Jahre als Mitwisser am Leben gelassen?«
»Wahrscheinlich ist es einfacher, als jedes Mal einen neuen Zahnarzt zu finden. Außerdem sind die Akten vermutlich alle älter als die Identität, die Hansen – oder wie auch immer sein richtiger Name lautet – jeweils benutzt. Es wäre schon merkwürdig und würde vielleicht sogar der örtlichen Ermittlern auffallen, wenn sie zu ihrem Mörder nur auf wenige Monate alte Zahnarztunterlagen stoßen würden.«
»Löst es denn keine Nachfragen aus, wenn jemand, der in Houston, Albany oder Atlanta wohnt, zu einem Zahnarzt in Cleveland geht?«
Arlene schüttelte den Kopf. »In den letzten Jahren sind eine Menge Psychopathen aus Cleveland weggezogen. Kein Grund für die örtliche Mordkommission, deswegen hellhörig zu werden.«
»Nein.«
»Was wirst du tun, Joe?« In Arlenes Stimme schwang ein Unterton mit, den er selbst während seiner Zeit als Privatdetektiv selten gehört hatte.
Er sah sie nur stumm an.
»Sind Sie öfter hier?«, fragte Kurtz.
Angelina Farino Ferrara schnaubte nur verächtlich. Heute trainierte sie im Kraftraum, während die Boys draußen auf den
Weitere Kostenlose Bücher