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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gibt keine Antwort. Er hat die Augen geschlossen und summt seine Melodie.
    Wenn er die ganze Zeit an Sara denkt, dann hau ich ab, denkt Joel. Wenn er sie noch mal einlädt, dann verschwinde ich.
    Er muß nur herausbekommen, wo Mama Jenny wohnt. Er muß Papa Samuel danach fragen. Das ist die wichtigste aller Fragen, die er mit sich herumträgt. Wenn das nur seine einzige Sorge wäre! Normalerweise passiert gar nichts. Jetzt passiert zuviel auf einmal. Mit jedem Jahr wird das Leben anstrengender, denkt er. Und es wird nicht nur schwieriger, die Erwachsenen zu verstehen, es wird auch immer schwieriger, Papa Samuel zu verstehen. Wenn er doch in Papa Samuels Kopf kriechen und sich mitten in seine Gedanken setzen könnte! Dann könnte er vergleichen, was Papa Samuel sagt und was er wirklich denkt.
    Vielleicht heißt erwachsen werden, daß man nicht immer sagt, was man denkt. Oder zu wissen, welche Lügen ungefährlich sind. Zu lernen, welche Unwahrheiten man meiden muß, um nicht allzu leicht durchschaut zu werden. Er nimmt den Wecker mit ins Bett und wickelt ihn in eine Socke ein, ehe er ihn unter das Kopfkissen steckt, dicht bei seinem Ohr. Dann macht er das Licht aus. Wenn Papa Samuel das sieht, setzt er sich nicht zu ihm auf die Bettkante. Dann schließt er nur die Tür und geht in sein Zimmer. Aber eigentlich möchte er, daß Papa Samuel sich trotzdem zu ihm auf die Bettkante setzt. Sich hinsetzt und ihm von Mama Jenny erzählt, ohne daß er überhaupt fragen muß…
    Nur schwer kann er eine gute Schlafstellung finden. Der Wecker drückt gegen sein Ohr. Ihn fröstelt schon, wenn er bloß daran denkt, daß er sich in ein paar Stunden wieder anziehen und hinaus in die Nacht gehen soll. Aber er ist neugierig, was Ture ihm zeigen will.
    Angst einjagen, hat er gesagt. Was meint er damit? Joel wälzt sich im Bett herum. Der Wecker drückt, und Joel muß prüfen, ob er nicht aus Versehen gegen den Knopf gestoßen ist, der das Klingeln abstellt. Er braucht noch viel Zeit, um über Ture nachzudenken. Es ist gut und es ist nicht gut, daß er ihm begegnet ist. Gut ist, daß er in einer Woche abhauen will, gut deshalb, weil Joel Sachen gesagt hat, die entlarvt werden könnten. Aber gleichzeitig ist es nicht gut, wenn Ture verschwindet. Einen Adligen zum Freund zu haben, ist gut. Das hätte kein anderer. Außerdem ein Adliger, der älter ist als er. Er denkt an die große Wohnung. In Gedanken betrachtet er noch einmal die Gemälde und Bücher, betritt die weichen Teppiche. Aber als er bei der Ritterrüstung ankommt, geht er nicht weiter. Jetzt ist er allein. Ture schickt er in Gedanken weg, und er kann die Rüstung anlegen, ohne daß es jemand merkt. Schließlich läßt er das Eisengitter vorm Gesicht herunter.
    Jetzt steht er irgendwo auf einem Schlachtfeld. Frau Nederström hat erzählt, daß immer Nebel herrschte, wenn die Männer in der Rüstung hinaus in den Kampf zogen. Jetzt steigt er auf sein Pferd, den schönen Wallach, den er beim Pferdehändler Under gesehen hat. Das schwarze Pferd mit dem weißen Fleck unterm rechten Auge. Irgendwo weit fort, unsichtbar im Nebel, wartet der Feind…
    Joel zuckt zusammen, als Papa Samuel die Tür öffnet. Es dauert lange, ehe er einen guten Traum aufgebaut hat. Aber es genügt, daß Papa Samuel den Türgriff berührt, schon ist alles weg.
    Joel tut so, als ob er schliefe. Vorsichtig schließt Papa Samuel die Tür. Sonst lauscht er länger, denkt Joel. Heute ist er viel zu schnell wieder gegangen. Als ob er eigentlich gehofft hat, daß ich schon schlafe…
    Man müßte Vorschriften für Väter aufstellen, denkt Joel wütend. Daß sie nicht einfach in einen Traum reingetrampelt kommen dürfen. Wie lange sie an der Tür horchen müssen, ob man schläft. Wen sie nicht zum Kaffee nach Hause einladen dürfen.
    Vorschriften, die alle Väter unterschreiben müßten. Und jedesmal, wenn sie gegen eine Vorschrift verstoßen, müßten sie bestraft werden.
    Das Radio verstummt, Papa Samuel gurgelt, das Bett knarrt.
    Was ist eigentlich passiert, denkt Joel. Warum war Mama Jenny so unruhig? Was ist passiert… Als der Wecker unter dem Kopfkissen klingelt, weiß Joel erst nicht, was los ist. Er klingelt mitten in einen Traum. Joel befindet sich unter unbekannten Menschen. Aber er weiß, daß Mama Jenny irgendwo dort ist. Der einzige, den er kennt, ist der alte Maurer. Plötzlich fangen die Bahnschranken an zu klingeln. Es ist der Wecker unter dem Kopfkissen… Joel liegt ganz still in der Dunkelheit

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