Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
erfrieren zu wollen, ist einfach kindisch. Man kann sich nicht mit Absicht verirren.
Und jetzt begreift er das Geheimnis dieses Sees. Vielleicht gibt es die vier Winde nicht. Aber gerade weil es sie nicht gibt, kommen einem andere Gedanken als die, die man vorher gedacht hat…
Plötzlich hat er es eilig, nach Hause zurückzukehren.
Heute kann er bestimmt besser mit Samuel reden. Bestimmt hat er jetzt genug von Sara mit dem roten Hut. Joel klappt den Stuhl zusammen, legt ihn in das Ruderboot und läuft in seiner eigenen Spur zurück. Die Tannen kommen näher, und er taucht in den Schatten, als liefe er durch einen Tunnel.
Da ist der Laster. Der Motor knirscht und jammert, und Joel sieht den alten Maurer hinterm Steuer. Er öffnet die Autotür und klettert ins Fahrerhaus. »Alles in Ordnung?« fragt der alte Maurer.
Joel nickt. »Aber jetzt muß ich nach Hause«, sagt er. Der alte Maurer fährt ihn bis vor die Gartenpforte. »Du hast gar keine Suppe gekriegt«, sagt er.
»Ich komme ein andermal wieder«, antwortet Joel. »Vielleicht«, sagt der alte Maurer und lächelt. Dann fährt er davon.
Joel läuft die Treppe hinauf und reißt die Tür zum Vorraum auf. Er sieht sofort, daß Samuel schon zu Hause ist. Das sollte er nicht. So spät kann es doch noch gar nicht sein, daß er schon mit seiner Arbeit fertig ist. Joel ahnt, daß es ernst ist. Es ist rausgekommen, denkt er. Samuel weiß, daß ich den Stein geworfen hab, er weiß, daß ich nicht in der Schule gewesen bin. Samuel weiß alles…
Jetzt muß er auf der Hut sein. Samuel kann sehr böse werden, besonders wenn Joel lügt. Er muß herausbekommen, was Samuel weiß und was nicht. Wenn es nicht unbedingt nötig ist, will er nicht alles zugeben. Aber Joel irrt sich. Alles ist ganz anders. »Im Wald ist ein Unglück passiert«, sagt Samuel. »Da ist einer unter einen Baum geraten. Wir mußten ihn mit dem Pferdefuhrwerk ins Krankenhaus bringen. Es hat nichts mehr geholfen.«
Schon einmal ist einer von Samuels Arbeitskollegen bei einem Unfall umgekommen. Da ist Samuel mehrere Tage zu Haus geblieben und hat seine Seekarten angestarrt, ehe er wieder in den Wald gegangen ist.
Plötzlich kommt es Joel so vor, als sähe Samuel wie ein kleines Kind aus, wie er da auf der Küchenbank sitzt, die Fäuste vor sich auf dem Tisch. Es sind große, rauhe Fäuste. Trotzdem wirken sie klein. Sogar Hände können traurig aussehen.
Joel zieht die Skistiefel und die Jacke aus und setzt sich auf seinen Stuhl.
Wenn ich ihn tröste, wird er begreifen, daß wir beide zusammengehören, denkt er. Nicht Samuel und Sara. Der Herd ist kalt. Joel steht auf und fängt an, Papier und Holz hineinzuschieben. Immer wieder schaut er zu Samuel hin. Aber der sitzt da mit seinen kleinen Fäusten vor sich und starrt auf die Wachstuchdecke.
Joel macht Feuer und setzt den Kaffeekessel auf. »Jetzt ist er tot«, sagt Samuel. »Heute morgen ist er aufgestanden und hat Kaffee gekocht. Kein Gedanke, daß er in den Wald geht, um zu sterben, Evert Petterson…« Er hebt den Kopf und sieht Joel an. Die Hilflosigkeit macht ihn so klein. Genauso klein, wie wenn er ein paar Nächte lang seine Dämonen weggeschrubbt hat. Genauso klein, wie wenn er getrunken hat und im Bett liegt und sich quält.
»Der Wald ist wirklich nicht gut«, sagt Joel. »Warum gehen wir nicht weg von hier? Warum fährst du nicht wieder zur See? Nächstesmal ist es dein Kopf, der getroffen wird, wenn ein Baum umfällt. Was soll ich dann machen? Soll ich dann zur alten Westman runterziehen? Oder zu Sara?«
Das letzte hatte er gar nicht sagen wollen. Die Worte kommen ganz von selbst. Aber Samuel reagiert nicht. Er sieht nur immer weiter traurig aus.
»Ich hab auch schon daran gedacht«, sagt er. »Was wird aus dir, wenn mir was passiert? Ich hab schon daran gedacht …«
»Wenn wir hier wegziehen, brauchst du nicht mehr daran zu denken«, sagt Joel. »Auf dem Meer gibt es keine Bäume.«
»Auf dem Meer gibt es was anderes«, sagt Samuel. »Andere Sachen, die man an den Schädel kriegen kann.« Das Wasser auf dem Herd beginnt zu kochen. Joel schüttet drei Löffel Kaffee aus der Kaffeedose hinein und zählt langsam bis neun, genau wie Samuel, wenn er seinen Kaffee kocht. Er stellt für jeden eine Tasse auf den Tisch. »Trinkst du Kaffee?« fragt Samuel. »Das hab ich ja gar nicht gewußt.«
»Manchmal«, antwortet Joel. »Eine halbe Tasse.« Samuel sieht ihn plötzlich ganz komisch an. Als ob er Joel noch nie gesehen hätte.
»Elf
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