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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Papa Samuel. Es ist schon so lange her, seit er das zuletzt getan hat.
    »Bist du traurig?« fragt Joel.
    »Ja«, antwortet Papa Samuel. »Es ist so schwer zu begreifen, daß Evert plötzlich weg ist. Er war gerade vierundzwanzig Jahre alt. Kaum mehr als doppelt so alt wie du. Vor ein paar Tagen hat er gesagt, daß er bald genügend Geld für ein Motorrad zusammengespart hat. Er war so stolz. Und jetzt ist es vorbei…«
    »Was passiert eigentlich, wenn man stirbt?« fragt Joel. »Wenn ich das wüßte«, sagt Papa Samuel. »Aber ich hab keine Ahnung.«
    Joel kennt Evert nicht. Von Papa Samuels Arbeitskollegen im Wald hat er nur einen kennengelernt, der Nilson heißt und der der Könner genannt wird. Er ist klein und dick und redet Dalarna-Dialekt. Einmal ist er mit Samuel nach Hause gekommen und hat Kaffee getrunken. Joel hat gehört, wie sie sich darüber unterhielten, daß sie sich zusammen ein Boot kaufen wollten, mit dem sie angeln fahren konnten. Aber es ist nie was daraus geworden. Jedenfalls hat Joel nie mehr was von einem Boot gehört. Er begreift eigentlich nicht, daß er zusammen mit Papa Samuel auf dem Weg zu Sara ist. Vor allen Dingen versteht er nicht, daß es ihn froh macht. Einmal rennt er ganz verzweifelt durch die Nacht und wirft einen Stein durch ihr Fenster, und das nächste Mal ist er zusammen mit Papa Samuel auf dem Weg zu ihr. Er mag sie immer noch nicht. Das hat sich nicht geändert. Trotzdem geht er hier…
    Erwachsene sind nicht wie Kinder, denkt er. Sie verstehen nicht, wie man etwas tun kann, obwohl man es nicht will. Sie verstehen nicht, daß eine verschwundene Mama niemals von einer ersetzt werden kann, die einen roten Hut trägt und in einer Bierstube bedient.
    Als sie durch die Toreinfahrt in den Hinterhof gehen, wo Sara wohnt, wird Joel wieder nervös. Wenn Papa Samuel nun plötzlich stehenbleibt, ihn am Genick packt und fragt, ob nicht doch er den Stein geworfen hat? Ein entsetzlicher Gedanke überfällt ihn. Wenn Papa Samuel ihn nun gebeten hat mitzukommen, um ihn vor Sara zu entlarven? Joel bleibt jäh stehen.
    Papa Samuel schaut ihn an. »Was ist los?« fragt er. »Hast du es dir anders überlegt?«
    Joel versucht an seiner Stimme zu erraten, ob es nicht so ist, wie er eben gedacht hat. Was weiß Papa Samuel eigentlich?
    »Hier können wir nicht stehenbleiben«, sagt er. »Komm jetzt, Joel.«
    Joel geht mit, aber die Unruhe verschwindet nicht ganz. Sie gehen eine Treppe hinauf, die von einer einsamen Glühlampe beleuchtet wird.
    Ehe Samuel überhaupt anklopfen kann, öffnet Sara die Tür.
    Sie hat schon auf ihn gewartet, denkt Joel. Aber sie weiß nicht, daß ich dabei bin.
    »Joel«, sagt sie und lacht. »Wie nett, daß du mitgekommen bist!«
    Obwohl er es nicht will, gefällt ihm Saras Wohnung sofort. Sie ist nicht groß, kleiner als die, in der sie wohnen. Aber sie ist hell und warm, und es riecht so gut. Außerdem hat sie einen Elektroherd.
    Er beschließt, den Kopf wegzudrehen, falls sie ihm über die Wange streicheln will. Aber als sie es tut, hält er ganz still.
    Am schwersten ist es, die Fensterscheibe anzusehen, ohne sich zu verraten. Das Loch, das der Stein hinterlassen hat, ist mit einem Stück Pappe verklebt. Bis hinauf zum Fensterrahmen laufen die Risse durch die Scheibe. Heimlich guckt er dorthin, während er so tut, als ob er einen Kalender betrachtet, der an der Wand hängt. Es ist gut, daß er Papa Samuel und Sara den Rücken zukehrt. Sie reden davon, daß der Glaser erst morgen kommen kann. Hoffentlich hören sie bald auf, denkt er. Sie müssen ja Verdacht schöpfen, wenn er so lange den Kalender anstarrt. Aber dann erzählt Papa Samuel von Evert, der tot ist, und Sara sagt, sie habe es schon in der Bierstube gehört und daß es schrecklich sei.
    Da ist die Gefahr vorüber, und Joel kann sich umdrehen. Er setzt sich auf einen Stuhl und hört zu.
    Plötzlich sieht er, daß Sara Tränen in den Augen hat. Er hört sie sagen, daß sie Evert gekannt hat. Er ist manchmal in der Bierstube gewesen und hat ein Pilsner getrunken und nie Radau gemacht und nie zuviel getrunken. Plötzlich ist Joel auch traurig. Er weiß nicht, ob es daher kommt, weil Evert tot ist oder weil Sara Tränen in den Augen hat. Er kann nicht hier sitzen und der einzige sein, der nicht traurig ist.
    Das hätte ich sein können, hat er Lust zu sagen. Wäre ich nicht auf dem See der Vier Winde gewesen, ich wäre in einem Schneehaufen erfroren. Aber das sagt er natürlich nicht. Er sitzt still da und

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