Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief
Windhund würde umkehren und nach Hause laufen. Aber das tat sie nicht. Sie folgte ihm weiter.
Er war jetzt weniger misstrauisch. Der Windhund zischte nicht wie sonst. Fast gefiel es ihm, so neben ihr herzugehen.
Abgesehen davon, dass der Windhund schneller als alle anderen lief, war sie auch ziemlich hübsch. Und nicht dumm. Joel wusste, dass es entschieden miesere Gesellschaft als ihre gab.
Sie erreichten das Gemeindehaus. Woher der Gedanke kam, wusste Joel nicht. Es geschah nur allzu oft, dass er erst redete, bevor er dachte. Das war so ein Moment.
Das Plakat im Schaukasten, das den Film dieser Woche ankündigte, sah nicht besonders aufregend aus. Ein Mann und eine Frau in altmodischer Kleidung standen umschlungen da und starrten mit Entsetzen auf etwas, von dem niemand wusste, was es war. Joel vermutete, dass es ein Liebesfilm war. Aber da er für Jugendliche verboten war, hatte er vielleicht trotzdem etwas Spannendes zu bieten.
»Hast du Lust ins Kino zu gehen?«, fragte er und zeigte auf das Plakat.
»Aber der ist doch für Jugendliche verboten«, sagte der Windhund.
»Ich weiß, wie man trotzdem reinkommt«, sagte Joel. »Und auch noch, ohne Eintritt zu bezahlen.«
»Ich glaub dir kein Wort«, sagte sie.
Aber Joel merkte, dass sie neugierig geworden war. »Willst du nun ins Kino gehen oder nicht?«, fragte er. »Ich möchte schon.«
»Aber du musst mir versprechen, dass du niemandem erzählst, wie ich das anstelle.«
»Ich verspreche es.«
»Wenn du es weitersagst, machen es alle wie ich. Und dann muss Engman es ja merken. Dann funktioniert es nicht mehr.«
Engman war Kinoaufseher. Bisher hatte er noch nicht entdeckt, dass Joel einen Weg kannte, wie er ohne zu bezahlen ins Kino gelangte, egal ob der Film für Jugendliche verboten war oder nicht. Joel war an den vielen Abenden, als er nach dem Hund suchte, der unterwegs war zu seinem entfernten Stern, darauf gekommen. Und jetzt stand er hier und lud den Windhund ein. Er verstand sich selbst nicht. Der Film begann um halb acht. Es gab nur eine Vorstellung. Joel zeigte auf die Autowerkstatt auf der anderen Straßenseite.
»Viertel nach sieben musst du hier sein«, sagte er. »Und erzähl niemandem was.«
Sie versprach es. Dann lief sie nach Hause. Joel sah ihr nach. Wie ein Strich verschwand sie entlang der Straße.
Einen kurzen Moment versuchte Joel sich den Windhund in durchsichtigen Schleiern vorzustellen. Und darunter nackt. Aber der Gedanke erschreckte ihn.
Dann lief er los. Es war höchste Zeit fürs Mittagessen.
Samuel kam nach Hause. Und er war nüchtern. Beim Essen beobachtete Joel ihn heimlich. Aber Samuel wirkte wieder wie immer. Danach setzte er sich auf den Stuhl neben das Radio und blätterte in der Zeitung. Joel ging in sein Zimmer und übte, wie Kringström es ihm aufgetragen hatte. Jeden Tag sollte er üben. Sonst würde er es nie lernen. Um sieben zog Joel seine Jacke an. Samuel ließ die Zeitung sinken und sah ihn an. »Willst du heute Abend schon wieder weggehen?«
»Ich muss nur ein paar Bücher in der Bibliothek abgeben.« »Aber da bist du doch erst vor ein paar Tagen gewesen?« »Ich lese eben viel.«
Samuel legte die Zeitung auf seine Knie. »Zeig mir mal, was du liest!«
Joel ging in sein Zimmer und holte ein Buch, eins, das er gerade erst angefangen hatte.
Meuterei auf der Bounty.
Wovon es handelte, wusste er schon. Von einem alten Segelschiff, dessen Besatzung den Kapitän gezwungen hatte, das Schiff zu verlassen. Sie hatten ihn in eine Jolle verfrachtet und dann konnte er zusehen, wie er klarkam.
»Vielleicht ist das was für mich«, sagte er. »Ich sollte wirklich mehr lesen. Aber ich schlafe immer darüber ein.« »Ich leih es dir«, sagte Joel. Dann ging er.
Engman öffnete gerade die Türen und machte Licht im Foyer. Seine Frau saß an der Kasse. Noch war niemand gekommen. Joel ahnte, dass es sehr wenige Zuschauer sein würden. Das Plakat war nicht gut. Und im Film spielten auch keine bekannten Schauspieler mit. Jetzt kam der Filmvorführer. Er hieß Tunström. Eigentlich war er Schlachter. Aber solange Joel ihn kannte, kümmerte er sich um die Projektoren. Manchmal schlief er ein da oben neben seiner Maschine. Dann war sein Schnarchen bis in den Zuschauerraum zu hören.
Joel zuckte zusammen. Der Windhund war an seiner Seite aufgetaucht. Sie war rot im Gesicht. Joel vermutete, dass sie den ganzen Weg von zu Hause hierher gelaufen war. Wie viel Zeit hatte sie gebraucht? Eine Minute? »Wir müssen hier
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