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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gescharrt und die Sitze knarrten. Nur der Windhund saß ganz still da und starrte alle an, die alle küssten. Joel überlegte, ob er nicht die Gelegenheit wahrnehmen und den Windhund küssen sollte. Er wusste nicht, wie man es machte. Aber vielleicht würde sie es ja gar nicht merken. Würde vielleicht glauben, es gehörte zum Film. Wenn er es ganz schnell machte.
    Ohne weiter nachzudenken beugte er sich zu ihr vor und drückte seine Lippen auf ihre, gleichzeitig hielt er ihre Schultern fest.
    Er fühlte ihre Lippen auf seinen. Es roch süß. Dann zuckte sie zurück. Aber sie schrie nicht. Sie kicherte auch nicht. Joel fand, dass sie nicht einmal böse aussah. Obwohl ihr Gesicht im Dunkeln natürlich schwer zu erkennen war. »Was machst du da, bist du verrückt, lass das«, sagte der Windhund.
    »Da war doch nichts dabei«, sagte Joel, der immer noch nicht begriff, was er getan hatte.
    »Du kannst das ja gar nicht«, sagte der Windhund. »Was kann ich nicht?«
    »Küssen. Guck dir den Film an und merk dir, wie man es macht.«
    »Du kannst es mir ja beibringen, wenn du es so gut kannst.«
    »Das kann ich. Aber nicht jetzt.«
    Joel versuchte sich wieder auf den Film zu konzentrieren. War es dem Windhund ernst, was sie gesagt hatte? Dass sie ihm das Küssen beibringen würde? Vielleicht wusste der Windhund alles darüber, worüber Otto redete. Wusste sie es wirklich?
    Er schielte zu ihr hin. Sie verfolgte, was auf der Leinwand geschah. Aber sie merkte sofort, dass er sie beobachtete. »Hör auf«, sagte sie wütend.
    Joel guckte sofort weg. Jetzt hatte ihre Stimme böse geklungen. Er musste vorsichtig sein, damit sie es sich nicht anders überlegte. Joel dachte wieder an Sonja Mattsson, die da unten im Zuschauerraum saß. Mit wem ging sie ins Kino? War das auch einer aus Stockholm?
    Wenn der nur nicht hier raufkommt und den Windhund bei der Hand nimmt, dachte Joel hastig.
    Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf herum. Plötzlich gab es so viel, was er bedenken musste.
    Auf der Leinwand ritten sie immer noch, brannten ihre großen weißen schönen Häuser nieder und küssten einander hinter Türen. Jetzt fing Joel an sich ernsthaft zu interessieren. Er versuchte zu erkennen, wie sie es machten.
    Eine Sache schien besonders wichtig zu sein: dass man die Augen schloss, wenn man sich küsste.
    Das war vielleicht etwas, was er vom Windhund lernen konnte. Damit er nicht mehr ganz und gar unwissend dastand.
    Plötzlich hatte Joel das Gefühl, der Film nähere sich seinem Ende. Das war immer ein Problem, wenn man ohne zu bezahlen ins Kino ging. Man kriegte den Schluss nicht zu sehen. Wenn Engman im Zuschauerraum das Licht anmachte, musste man draußen sein. Sonst konnte es ein böses Ende nehmen.
    »Wir müssen jetzt gehen«, sagte Joel zum Windhund. »Können wir den Schluss nicht mehr sehen?«
    »Das geht nicht. Engman macht mit einem Schlag Licht an. Und dann dürfen wir nicht mehr hier sein.«
    Er konnte in der Dunkelheit erkennen, dass sie enttäuscht war. Sofort machte er sich Sorgen, dass sie ihm nicht mehr das Küssen beibringen wollte.
    Joel richtete sich auf. »Es ist wahrscheinlich bald zu Ende«, sagte er. »Wir müssen gehen.«
    »Das ist aber ein blöder Kinobesuch, wenn man das Ende nicht mehr sehen kann«, sagte sie.
    »Die Filme enden doch immer gleich«, sagte Joel. »Das weiß man doch.«
    Sie gingen auf demselben Weg hinaus, den sie gekommen waren. Joel wartete, bis alle Kinobesucher in verschiedene Richtungen verschwunden waren. Aber Sonja Mattsson und den unbekannten Mann konnte er nirgends entdecken. Die mussten in eine andere Richtung gegangen sein. Erst als Engman die Türen mit einem Knall schloss, sagte er, sie könnten gehen. Sie kamen auf die Straße. »Das war kein guter Film«, sagte Joel.
    Der Windhund sagte natürlich genau das Gegenteil. Das hätte er sich ja denken können.
    »Kapierst du nicht, dass der gut war?«
    Joel beharrte auf seiner Meinung, obwohl er sofort unsicher wurde.
    »Da ist so wenig passiert«, sagte er. »Die haben doch nur rumgestanden und geredet.«
    »Und was stört dich daran? Außerdem haben sie ja Englisch gesprochen.«
    Joel fielen keine Gründe mehr ein, warum ihm der Film nicht gefallen hatte.
    »Aber ich hab schon bessere Filme gesehen«, sagte er lahm. Sie setzten sich in Bewegung. Sie gingen weder in die Richtung, wo sie wohnte, noch in Joels Richtung. Ohne dass er wusste, warum, fragte er sich plötzlich, ob Lars Olsson, der auf dem Friedhof lag, der Film

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