Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief
Baumäste.
Als er nach Hause kam, setzte er das Essen von gestern zum Wärmen auf. Und dabei beschloss er, heute Abend seinen Handschuh von Sonja Mattsson abzuholen.
Er hatte noch eine Sorge. Wie sollte er draußen schlafen und sich abhärten können, wenn Samuel mittwochabends nicht mehr zu Sara ging? Das Elend nahm kein Ende. Aber vielleicht fand Samuel eine andere? In Luddes Bierstube gab es mindestens noch drei Kellnerinnen.
Samuel kam nüchtern nach Hause. Sie aßen Mittag. »Wie war es heute in der Schule?«, fragte er.
»Wir mussten Schönschreiben üben«, antwortete Joel. Samuel stellte nie mehr als eine Frage nach der Schule. Und das tat er auch heute nicht. Und Joel war dankbar. Als er sich zum Gehen bereitmachte, sah Samuel von seiner Zeitung auf.
»Du hast heute Nacht nur wenig geschlafen«, sagte er. »Heute Abend musst du früh ins Bett.«
»Ich will nur einen vergessenen Handschuh abholen.«
»Wo?«
»Zu Hause bei jemandem.«
»Bei wem?«
»Einem Freund.«
Samuel nickte.
»Falls ich schon schlafe, wenn du kommst, dann also gute Nacht«, sagte er.
»Ich bin bald wieder da.«
Als er auf die Straße hinauskam und die Stiefel an den Fußknöcheln zu scheuern begannen, versuchte er sich vorzustellen, er sei an einem Sandstrand. Mit Palmen. Und es war warm. Er suchte in seinem Kopf nach dem gestrandeten Kapitän Joel Gustafsson. Aber er fand ihn nicht.
Vor Sonja Mattssons Haus blieb er stehen und prüfte nach, ob er musste. Das war das Allerwichtigste. Dann nahm er die Mütze ab und strich sich durch die Haare.
Er merkte, dass er nervös war. Er hoffte, etwas würde passieren. Etwas, von dem er noch nicht wusste, was es war.
Er ging die Treppen hinauf und klingelte an der Tür. Als sie öffnete, trug sie dieselben Kleider wie beim letzten Mal. Immer noch keine durchsichtigen Schleier.
»Warum kommst du schon wie der?«, fragte sie. »Glaub bloß nicht, ich kauf noch mehr Weihnachtszeitschriften.« »Ich hab wahrscheinlich meinen Handschuh hier vergessen«, sagte Joel.
Jetzt kam das Schwerste. Es bestand die Gefahr, dass sie ihn an der Tür warten ließ, während sie drinnen nach dem Handschuh suchte.
»Komm rein«, sagte sie, »es ist kalt.«
Sie machte die Tür hinter ihm zu. Joel atmete den Duft nach ihrem Parfüm tief ein. Wenn er sich getraut hätte, er hätte sie gepackt und hochgehoben.
»Dann schau nach«, sagte sie, »ob der Handschuh hier ist.«
Sie ließ ihn im Vorraum allein. Den Handschuh fand Joel sofort. Er versteckte ihn an einer noch schwierigeren Stelle. Sie kam zurück.
»Hast du ihn gefunden?«
»Noch nicht«, sagte Joel. »Aber irgendwo hier muss er sein.« »Sag Bescheid, wenn du ihn hast«, sagte sie und ließ ihn wieder allein.
Im Wohnzimmer lief ein Radio. Joel tat so, als ob er suchte, und spähte vorsichtig ins Zimmer. Sie saß auf dem Sofa und lackierte sich die Fingernägel. Fasziniert betrachtete Joel, was er sah. Er blinzelte und ließ sie unscharf werden. Dann konnte er sich fast vorstellen, sie säße dort in durchsichtigen Schleiern. Und darunter war sie nackt.
Wie lange er sie beobachtet hatte, wusste er nicht. Aber plötzlich merkte er, dass sie ihn bemerkt hatte. Hastig stand sie auf. Joel holte schnell den Handschuh hervor.
»Was guckst du denn so?«, fragte sie. Ihre Stimme klang nicht böse.
»Ich weiß nicht«, sagte Joel. »Aber ich hab den Handschuh gefunden. Er hat unter einem Schal gelegen.«
Einen kurzen Moment sah sie erstaunt aus. Dann lächelte sie.
»Das hat er wohl«, sagte sie.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Joel. Das wollte er eigentlich nicht. Aber es gab keine verlorenen Handschuhe mehr zu suchen.
»Wie geht es Allan?«
»Gut. Er hat kein Fieber mehr.«
Sie hatte schon die Tür geöffnet. Joel trat auf der Stelle.
»Ist noch was?«
»Nein«, sagte Joel. »Nichts.«
Dann ging er. Auf dem Heimweg dachte er, dass alles gut gegangen war. Jetzt konnte er den dicken Tanten im Laden zeigen, dass er die Verkäuferin kannte. Und ihm würde sicher etwas anderes einfallen, damit er sie wieder besuchen konnte.
Die Gitarre, dachte er. Morgen fang ich an zu üben.
Er hatte es eilig. Er nahm sich kaum Zeit, im Schaufenster vom Schuhgeschäft nach den Stiefeln zu schauen, die Samuel ihm kaufen sollte. Sie waren teuer. Aber Joel wusste, dass es welche gab, die noch teurer waren. Wenn sie in das Geschäft gingen, würde er die zuerst probieren. Sagen, dass sie gut waren. Dann würde Samuel sich weigern sie zu kaufen, wenn er den
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