Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
hinaufging und wieder hinunter.
»Der Film war gut«, sagte Samuel, als sie wieder auf die Straße kamen.
Joel sagte nichts.
Auf dem Weg zum Hotel blieben sie stehen und kauften sich Würstchen. Joel begann sich Sorgen zu machen, wie lange Samuels Geld reichen würde.
Als sie ins Hotel zurückkamen, war der glatzköpfige Mann weg. An seiner Stelle saß eine dicke Frau hinterm Tresen. »Möchten Sie geweckt werden?«, fragte sie.
»Das ist nicht nötig«, antwortete Samuel. »Wir werden von alleine wach.«
Samuel schlief ein, sobald er das Licht ausgemacht hatte. Aber Joel lag wach. Durch einen Spalt im Vorhang fiel das Licht von einer Straßenlaterne herein. Außerdem gab es so viele Geräusche. Nicht wie zu Hause, wo es ganz still war. Das Einzige, was man dort hörte, war das Knacken in den Wänden.
Das Licht der Straßenlaterne fiel auf
Celestine.
Was Mama Jenny wohl in diesem Augenblick macht, dachte Joel. Woran denkt sie? Bestimmt nicht an Samuel. Und nicht an mich. Sie weiß nicht, dass wir ganz in der Nähe sind. Joel zog die Decke bis zum Kinn und versuchte einzuschlafen. Aber in ihm war kein Schlaf. Er warf sich hin und her. Schließlich richtete er sich auf. Es war sinnlos. Er stand auf und sah auf Samuels Uhr. Viertel nach elf. Auf dem Weg zum Fenster warf er einen Blick auf das Bild. Der junge Mann spielte. Und die Frau saß unterm Baum. Vorsichtig zog er den Vorhang beiseite. Kein Regen. Plötzlich wusste er es.
Die Nacht wartete auf ihn. Wie viele Male er sich zu Hause auf seine geheimen Irrfahrten begeben hatte, wusste er nicht. Aber nichts hinderte ihn daran, schon heute Nacht Mama Jennys Haus zu suchen.
Er zog sich leise an und schrieb wieder eine Nachricht für Samuel. Sicherheitshalber legte er sie auf sein Kopfkissen.
Ich kann nicht schlafen. Ich geh raus. Bin bald zurück.
Nicht mehr. Keine Uhrzeit. Samuel sollte nicht nachrechnen können, wie lange er wegblieb.
Der Korridor war leer. Vorsichtig schloss er die Tür hinter sich. Er traute sich nicht den Aufzug nach unten zu nehmen. Auf der Treppe waren Läufer, die seine Schritte dämpften. In der Rezeption lief ein Radio. Er blieb auf der Treppe stehen. Vielleicht würde ihm die Frau, die dort saß, nicht erlauben nach draußen zu gehen? Vielleicht musste man nachts um elf im Hotel bleiben?
Er versuchte sich eine Lösung auszudenken. Aber das Problem löste sich von selbst. Er hörte jemanden schnarchen. Er machte noch ein paar Schritte. Das Schnarchen wurde lauter. Vorsichtig guckte er um die Ecke. Die Frau hinter dem Tresen saß auf einem Stuhl und schlief mit offenem Mund. Er machte sich klein und lief zur Tür. Wenn sie quietschte, könnte die Frau aufwachen. Vorsichtig legte er die Hand auf die Klinke und schob die Tür auf. Kein Laut.
Dann war er draußen. Er hatte daran gedacht, den Stadtplan mitzunehmen. Der war inzwischen getrocknet, nur etwas zerknittert. Aber jetzt fiel ihm ein, dass es vielleicht nicht günstig war, nachts mit einem Stadtplan in der Hand durch die Stadt zu streichen, und steckte ihn in die Tasche. Es war warm, Sommernacht. Obwohl es schon so spät war, waren noch viele Leute unterwegs. Eine Straßenbahn schepperte vorbei. Von irgendwo war Musik zu hören. Auf der anderen Straßenseite gingen zwei schwankende Männer, die sich aneinander festhielten.
Er ging am Schloss vorbei und erreichte den Platz, an dem er keinen Lebensmittelladen gefunden hatte. Das Café war geschlossen, die Stühle und die Tische waren mit Segeltuch abgedeckt. Jetzt waren weniger Leute unterwegs. Und weniger Autos. Aber da war ein Polizeiauto. Joel duckte sich zusammen, versuchte sich unsichtbar zu machen. Das Polizeiauto verschwand. Joel blieb vor einem Schaufenster stehen und holte den Stadtplan hervor. Da war die Östgötastraße. Links, rechts und wieder links. Er machte einen Schritt. Und noch einen. Wie viele Meter waren es noch, bis er vor Mama Jennys Tür stand?
Er versuchte erwachsen auszusehen. Es war kindisch, nachts in den Straßen herumzulaufen und nach einem Haus zu suchen, in dem eine verschwundene Mama wohnte. Aber das konnte auch erwachsen sein. Er erinnerte sich, wie Samuel nachts herumgeirrt war, als er so in Sara verliebt gewesen war.
Joel bog nach links ab und dann nach rechts. Aus einem offenen Fenster konnte man eine Frau und einen Mann hören, die sich um Geld stritten. In einer lauen Sommernacht. Dann blieb er jäh stehen. Was würde passieren, wenn Samuel aufwachte? Vielleicht machte er sich solche
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