Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
zottlig wie seine. Die Augen waren blau wie seine. Aber sie war klein. Und mager. Irgendwie sah sie Samuel ähnlich.
Dann dachte Joel, dass sie auch schön war. Wenn Jenny Rydén wirklich seine Mama war, hatte er Glück. Sie war eine schöne Mama. Blieb nur die Frage, ob sie einen Sohn haben wollte, der wie Joel aussah.
Im selben Augenblick schaute sie von ihren Händen auf.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber ich nehme an, dass ich um Verzeihung bitten müsste.«
Ihre Augen waren blank. Joel bekam sofort einen Kloß im Hals. Sie stand auf, kehrte ihm den Rücken zu und holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche. Sie drehte sich um. Jetzt lächelte sie. Joel sah, dass sie weiße, gleichmäßige Zähne hatte, nicht solche unregelmäßigen wie er.
»Ich wünschte, Samuel wäre hier«, sagte sie. »Gleichzeitig bin ich froh, dass er nicht da ist.«
Sie setzte sich wieder auf den Stuhl. Und sah ihn an. Die ganze Zeit schüttelte sie sachte den Kopf.
Joel begann zu schwitzen. Sie mag mich nicht, dachte er. Sie hat etwas ganz anderes erwartet. Das machte ihn böse. Plötzlich hatte er Lust ihr zu erzählen. Von all diesen Jahren, seinen Gedanken, Träumen, Vorstellungen. Sie unterbrach seine Gedanken.
»Du bist so groß«, sagte sie. »Und damals warst du so klein.«
»Elinor hat Samuel einen Brief geschrieben«, sagte Joel. »Aber einen Lebensmittelladen haben wir nicht gefunden.«
»Da musste ich aufhören zu arbeiten, als er geschlossen wurde«, sagte sie. »Aber wie hast du mich im
Herbstlicht
gefunden?«
Joel zuckte mit den Schultern und sagte nichts. »Als Arne mir erzählte, dass du da gewesen bist, hab ich nichts kapiert. Ich dachte, er hätte das alles erfunden. Aber als er sagte, dass du norrländisch redest, da wurde mir klar, dass du es sein musstest. Wie merkwürdig das auch war. Und er erinnerte sich an den Namen vom Hotel.
Rabe.
Ich hab angerufen. Und jetzt bin ich hier.«
»Ich bin gerade aus der Schule gekommen«, sagte Joel. »Und da kam der Brief von Elinor. Samuel fand, wir sollten herfahren. Damit ich sehe, wie du aussiehst.«
Den letzte n Satz bereute er sofort. Aber sie nahm es ihm nicht übel.
»Können wir nicht rausgehen?«, fragte sie und stand auf.
»Hier ist es so warm. Und ich möchte allein mit dir sprechen, bevor Samuel zurückkommt. Ich weiß nicht mal, ob ich ihm begegnen will.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Da ist so viel Schweres.«
»Er möchte dich aber gern treffen.«
»Wirklich?«
»Ja.«
Sie schüttelte wieder den Kopf. »Komm, wir gehen.« Joel sah zu
Celestine.
»Die ist für dich«, sagte er. »Auch von Samuel.« Er zeigte auf das Schiff.
»Ich kann mich an sie erinnern«, sagte sie langsam. »Sie stand in der Küche.«
»Ja«, sagte Joel. »Dort hat sie immer gestanden. Und sie ist für dich.«
Er nahm den Karton, den er unter das Bett geschoben hatte.
»Sie ist für dich«, wiederholte er.
»Warum soll ich sie haben?«
»Uns ist nichts Besseres eingefallen«, sagte Joel. »Samuel dachte an einen Elchbraten. Aber das wollte ich nicht. Und da haben wir das Schiff genommen.«
»Einen Elchbraten?«
»Den hätte Samuel erst mal heimlich jagen müssen.« Sie brach in Lachen aus. »Niemand anders als Samuel kann auf so eine Idee kommen«, sagte sie. »Niemand anders.«
Joel wusste nicht recht, was er davon halten sollte. War es gut oder schlecht? Er wusste es nicht.
Plötzlich berührte sie ihn. Es war das erste Mal. Das erste Mal, dass er ihre Hand spürte. Damals war er so klein gewesen, dass er sich nicht daran erinnern konnte. Es machte ihm überraschenderweise Angst. War das wirklich seine Mama, die hier vor ihm stand? Die Jenny Rydén hieß? Oder war das eine, die nur so tat, als wäre sie seine Mama?
»Ich möchte dir so viel erklären«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Und ich weiß nicht, ob ich es kann.«
»Das ist nicht so wichtig«, sagte Joel. »Es ist, wie es ist.« »Das hat Samuel auch immer gesagt. Es ist, wie es ist.« Joel dachte, dass es eigentlich Brunte war, der das gesagt hatte. Aber vielleicht sagten das Erwachsene ganz allgemein. Es ist, wie es ist.
Ihre Hand lag immer noch auf seinem Arm. Sie schob ihn fast zur Tür. In der anderen Hand trug sie den Karton. »Ich kann ihn tragen«, sagte Joel.
Sie gab ihm den Karton. Joel schloss die Tür ab. Jenny Rydén drückte auf den Fahrstuhlknopf.
Ich fahre mit meiner Mama Fahrstuhl, dachte Joel. Wenn der Fahrstuhl abstürzt, hab ich sie
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