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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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flatterten im
Wind. Mein Gott, war Edda groß geworden, und hübsch dazu. Er wollte mittanzen,
wollte sich einreihen in diesen unbeschwerten Reigen, doch als er näher kam,
nahm Emmy das Kind auf den Arm und trat einen Schritt zurück. Göring blieb
überrascht stehen. Es war gar nicht Emmy, die da vor ihm stand, sondern Oda,
und sie trug auch nicht Edda, sondern einen Jungen. Als er kapierte, was los
war, ging er weiter, doch wieder veränderten sich ihre Gesichtszüge. Er kannte
diese Frau, das wusste er, ganz bestimmt, es war ... Carin. Göring zuckte
zusammen, so erschrak er vor diesem geliebten Antlitz. Nun streckte sie ihre
Hand aus, einladend, wie ihm schien, und er wollte sie nehmen, griff aber vor
Schreck daneben, denn ihre Hand war fleckig, das Fleisch grau und die Finger
knochig ...
    Er schrie und richtete sich im Bett auf. Sein Atem ging schwer, sein Herz
klopfte wie ein Hammer. Göring setzte sich auf die Bettkante, beruhigte sich.
Es war nur ein Traum. Ein böser, kleiner Traum. Dabei schlief er meistens
traumlos, vor allem, wenn er sich ein paar Tropfen Morphium gegönnt hatte. Und
dass ausgerechnet seine geliebte verstorbene Frau ihn auf diese Weise heimsuchte,
empfand er fast als einen Affront. Sie ruhte doch friedlich in der schönsten
Gruft, die sich ein Mensch wünschen konnte. Aber ruhten die Toten wirklich in
Frieden? Wer konnte das wissen? Vielleicht trieb es sie rastlos herum, wo sie
nun auf ihrer Seite zusammenrücken sollten, um Platz zu schaffen für die
Legionen derjenigen, die er im Begriff war, zu ihnen zu schicken.
    Göring wollte
nicht weiter darüber nachdenken, wollte diese morbiden Gedanken aus seinem Kopf
vertreiben, dem Tag nicht mit einem missglückten Start ein düsteres Gepräge
geben. Er stand auf, schlüpfte in seinen erbsengrünen Morgenmantel und ging zur
Bar. Dort schenkte er sich einen Brandy ein und kippte den Muntermacher, wie er
ihn nannte, in einem Zug herunter. Das taube Gefühl in seinem Kopf, das der
Traum hinterlassen hatte, hielt sich jedoch hartnäckig. Göring beschloss, mit
gesünderen Mitteln dagegen anzugehen. Er quetschte sich in das zu klein
geratene Bad seines Sonderzuges, drehte den Hahn auf und schaufelte sich kaltes
Wasser ins Gesicht. Im Spiegel betrachtete ihn eine fahle, aufgeschwemmte
Gestalt mit teigigen Wangen. Die Haare klebten fettig am Kopf, die Augen waren
blutunterlaufen. Göring brauchte einen Moment, um sich zu erkennen.
    Während das Wasser von seinem Kinn ins Waschbecken tropfte, fragte er sich,
was heute so verdammt schief lief. War es die Angst davor, endlich der Wahrheit
ins Auge blicken zu müssen, der Wahrheit, dass sie heute den Krieg bekamen,
den Hitler immer angestrebt und er selbst nicht verhindert hatte? Alles schien
darauf hinzudeuten: Henderson hatte darauf bestanden, Ribbentrop um 9 Uhr eine
Nachricht zu überbringen. Es konnte sich nur um ein Ultimatum von britischer
Seite handeln. Entweder die Deutschen stellten die Kämpfe ein und zogen sich
zurück, oder England würde in den Krieg eintreten. Göring wischte sich das
Gesicht ab. Er war bereit, es mit der Welt aufzunehmen. War die Welt auch
bereit für ihn?
    Er wählte eine taubenblaue Uniform, streifte sich eine Schärpe über und
legte ein paar Orden mehr an als in den Tagen zuvor. Zumindest äußerlich wollte
er dieser historischen Stunde angemessen begegnen. Es war alles eine Frage von
Haltung und Würde, selbst in ausweglosen Situationen. Ehrensache. Vielen fehlte
dafür das Verständnis, auch Hitler, dessen Manieren zu wünschen übrig ließen
und den Göring deshalb oft als ungehobelt empfand. Birger Dahlerus dagegen
besaß diese Würde, war ein Mann von Anstand und guter Gesinnung. Ein Teil von
Göring bedauerte es, dass er dem Schweden gegenüber nicht immer ehrlich
gewesen war, dass er ihn für seine Zwecke instrumentalisiert hatte. Der weitaus
größere Teil aber nahm es als situationsgegeben hin. So funktionierte das
Spiel eben, und er war weiß Gott nicht angetreten, es zu verlieren. Wenn
Dahlerus die Züge seines Gegners nicht durchschaute, war das ganz allein sein
Problem.
    Göring erwartete den Schweden gegen 9 Uhr, mit frischen Informationen aus
britischen Botschaftskreisen. Es war also nur Zeit für ein kurzes Frühstück -
aber der Traum hatte ihm ohnehin den Appetit verdorben.
    Der Feldmarschall klingelte nach Kropp, der kurz darauf erschien und ihm
mitteilte, dass im Salonwagen bereits gedeckt war. Während Göring sein
Frühstücksei köpfte,

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